Radtour Israel / Jordanien

26.3. bis 29.4.2015

Um es vorwegzunehmen: Israel und Jordanien sind keine geeigneten Reiseländer zum Durchführen von Radtouren. Das liegt nicht daran, dass diese Länder nichts zu bieten hätten, was Radfahrer anziehen könnte. Es liegt zum einen an der Situation, dass Radfahrer auf Straßen kaum vorhanden sind und die Autofahrer damit keine Erfahrung im Umgang haben. Tourenfahrer sind hier ungewöhnliche Randerscheinungen. Zum anderen bewegt man sich als Radfahrer ziemlich schutzlos in einem mit Konflikten aufgeladenem Spannungsfeld, in dem man unversehens einbezogen werden kann.



Am ersten Tag radelte ich im Großraum Tel Aviv an der Küste des Mittelmeeres entlang Richtung Süden. Von Anfang war mir klar, dass dies der unangenehmste und stressigste Fahrtag werden sollte. So war es dann auch. Es gibt nämlich in diesem Bereich keine geeigneten Nebenstraßen, die man als Radfahrer hätte nehmen können. Man ist gezwungen einen der drei großen autobahnähnlichen Highways zu benutzen, die parallel zu Küste verlaufen und i.d. R. 2 bis 3 Fahrspuren pro Richtung aufweisen. Im Gegensatz zu Europa ist die Benutzung dieser „Autobahnen“ durch Fahrräder nicht verboten. Zwar wurde ich häufig beschimpft und mit unzweideutigen Zeichen aufgefordert zu verschwinden, aber zum Glück konnte ich auf den Pannenstreifen fahren, wenn sie dann nicht unterbrochen waren. Besonders gefährlich waren immer die Ein- und Ausfahrten, die zu queren waren!



Ab dem zweiten Tag konnte ich diese Highways verlassen und normale Landstraßen benutzen. Diese waren dann weniger frequentiert und das Radfahren machte richtig Spaß. Zuerst fuhr ich Richtung Masada. Es ging erstmals entlang der Westbank immer schön der Wand lang...Berlin ließ grüßen! Der letzte Abschnitt zu der alten sagenumwobenen Ruinenanlage Masada verlief durch wüstenähnliche Landschaften mit einer kurvenreichen Straße und mit einem endlosen Auf und Ab mit Steigungen bis zu 12% auf gutem Asphalt. Dies war ein Vorgeschmack auf das was anschließend zu meinem Routinealltag werden sollte! Allerdings wurde ich dann auch entschädigt durch wunderbare Aussichten in diese herrliche Wüstenlandschaft bis hinüber ins Jordantal und zum Toten Meer, also mit viel, viel Augenfutter!






Masada ist von der Lage ein absoluter Hit. Ab hier ermächtigte sich mir wieder das mir so vertraute und angenehme Gefühl auf Tour zu sein...Die nächsten Etappen waren Colored Sands im Large Crater (Judäische Wüste), Avdat einer ehemaligen Nabatäer Besiedelung, Mitspe Ramon  mit dem Ramon Crater und anschließend der längere Abschnitt durch die Wüste Negev bis nach Eilat am Roten Meer. Das Muster der Tage wiederholte sich ständig:  da die Landschaft sehr hügelig ist, hatte ich täglich ca. 1000 Hm zu klettern und zwar i.d.R. nicht an einem Stück, aber in mehreren Abschnitten. Am Ende des Tages wusste ich was ich getan hatte! In den Wüsten gab es kaum Verkehr. Es kam gelegentlich vor, dass Autofahrer, die ich im Großraum Tel Aviv immer nur genervt und gestresst erlebt hatte, anhielten um mich zu fragen, ob ich nicht Wasser oder sonst wie Hilfe benötige. In den Wüsten gibt es außer der guten Asphaltstraßen wenig Infrastruktur, aber genug, um die Verproviantierung sicher zu stellen - auch für mich als Radfahrer. Allerdings musste ich feststellen, das große Bereiche der Negev als no go „Firing Area“ ausgewiesen waren und deshalb ein Aufstellen des Zeltes nicht überall ratsam war.


Die Landschaften der Negev sind von eindrücklicher Schönheit und abwechslungsreich durch die Vielfalt der geologischen Formationen in den unterschiedlichsten Farben und Erosionsformen. Besonders eindrücklich fand ich die Blicke von der hoch gelegen Negev auf die ebenfalls hoch gelegen Teile der Gebirgszüge auf der jordanischen Seite des Toten Meeres, den Abschnitt der Wüstenstraße entlang dem Sinai und ganz besonders die Abfahrt von der Negev hinunter an das Rote Meer.


r.





In Eilat verbrachte ich 2 Ruhetage mit Schnorcheln in der Coral Reserve, was absolut grandios war. Hier hatte ich meine höchsten Temperaturen: 38°C bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit. Das Meer war allerdings noch recht kalt, wenn man sich längere Zeit ohne Neopren im Wasser aufhielt: 21°C. Die Stadt selber ist ein Moloch und wird auch gerne als das Las Vegas von Israel bezeichnet.



In Aqaba überschritt ich die Grenze nach Jordanien. Das war mit dem Fahrrad problemlos möglich. Noch am gleichen Tag strampelte ich bis Wadi Rum. Als ich ankam war es kühl und eine Schar von Guides und der Polizist stürzten sich gleich auf mich um Ihre Dienste anzubieten bzw. Schutzgeld einzufordern. Das war nach Israel der krasse Gegensatz...hier ticken die Uhren anders.



In Wadi Rum wanderte ich dann anschließend...ohne Guide und ohne Polizist. Mit dem Rad durch die Wüste zu fahren war nicht möglich, der Sand ist zu locker. Die Wüste ist dort wie von einem anderen Planeten. Ich fühlte mich versetzt auf den Planeten Mars, wegen der rötlichen Färbung des Gesteins und der Bilder, die man inzwischen von dem roten Planeten kennt. Es ist ein wunderbares exotisches Wandergebiet welches auch Kletterer herausfordert wegen den steilen unbezwingbar aussehenden Felswänden. Nach den zahllosen Jeepspuren zu urteilen, die kreuz und quer durch den Wüstensand verlaufen, muss hier zu den Haupttouristenzeiten der Bär los sein...



Bei meiner Weiterfahrt auf dem King´s Highway hatte ich mit starkem Gegenwind und tiefen Temperaturen von 4°C zu kämpfen. Der King´s Highway verläuft auf dem Bergkamm und ist dem Wind ungeschützt ausgesetzt. In Wadi Musa besuchte ich die geheimnisvolle ehemalige Nabatäerstadt Petra. Die Anlage ist überwältigend und den Besuch habe ich nicht bedauert, trotz des exorbitanten Eintrittspreises und den Verschandlungen in der archäologischen Anlage, die scheinbar unvermeidlich mit dem Massentourismus einhergehen.




Auf der Weiterfahrt nach Norden führte der King´s Highway durch eine gebirgige ländliche  Landschaft und immer wieder durch kleine Ortschaften. Hier hatte ich einige der unangenehmsten Erfahrungen machen müssen. Von der Gegenrichtung kommenden Autos scherten plötzlich aus ihrer Fahrspur aus, um dann direkt auf mich zuzufahren – ähnlich wie Selbstmordterroristen - und in letzter Sekunde rissen sie das Steuer um, um wieder in ihre Fahrspur zurückzukehren. Dabei lachten die Insassen über ihren gelungenen Scherz, bzw. über den Schreck, den sie mir eingejagt hatten! Dies wiederholte sich mehrmals am Tage. Das waren keine Einzeltäter, das hatte System. Bei der nächsten mir bietenden Gelegenheit habe ich den  King´s Highway bei at-Tafila verlassen und bin wie im freiem Fluge hinunter ins Wadi Araba gefahren. Der Höhenunterschied betrug ca. 1300 m, die Straße ist gut ausgebaut und das Gefälle fast durchgehend 10 bis 12%.


Während der Abfahrt ca. auf halber Höhe bei einer großen Antennenanlage wurde ich von einem großen Rudel wilder ausgehungerter Hunde (ca. 30 Tiere!) angefallen. Ich hatte einen entscheidenden Vorteil: Ich fuhr bergab mit 40 bis 50 Km/h und die Köter konnten mir nicht mit der Geschwindigkeit auf dem Asphalt folgen. Außerdem greifen Köter nicht von vorne an, sondern i.d.R. von der Seite oder bevorzugt von hinten. Als ich ihr Revier verlassen hatte, ließen sie sofort ab. Der Schreck saß mir danach noch lange in den Knochen!

Dieser Teilabschnitt war absolut menschenleer und abgesehen von der Hundeattacke war es einer meiner schönen Abschnitte was die Ausblicke in die Landschaft betraf und nicht zuletzt wegen dem Geschwindigkeitsräuschlein.


Am Toten Meer angekommen wurde es wieder flacher. Das Klima veränderte sich ebenfalls. Es wurde deutlich wärmer und die Luftfeuchtigkeit erhöhte sich spürbar. Auf der jordanischen Seite folgte ich der Steilküste Richtung Norden, am Amman Tourism Beach („tote“ Hotelanlage am Toten Meer) vorbei.


Bei der Allenby Bridge überquerte ich die Grenze Richtung Israel. Das war ein umständliches Prozedere mit viel Stress auf allen Seiten. Ich musste das Rad und mein Gepäck jeweils in Jordanien und in Israel mit unterschiedlichen Bussen durch den jeweiligen Grenzstreifen transportieren lassen. Nach 3 Stunden Quälerei und immer bedacht ruhig und gelassen zu bleiben, hatte ich die Flut unsinniger inquisitorischer Fragen und schikanösen Behandlungen hinter mich gebracht. Am Strand des Toten Meeres bei Neve Midbar Beach konnte ich mich in der sirupartigen Salzlake wieder entspannen und ins Lot gelangen.


Der letzte große Aufstieg in einem Stück waren die ca. 1300 Hm nach Jerusalem. Dort besuchte ich die obligatorischen Sehenswürdigkeiten der Altstadt. In den Souks der Altstadt drängten sich Massen von Pilgern, Touristen und Einheimischen. Eine kunterbunte Mischung Menschen aller Nationen, Religionen und Hautfarbe die scheinbar in friedlicher Koexistenz sich diesen „heiligen Bezirk“ für kurze Zeit den Raum teilten unter den wachsamen Augen der allgegenwärtigen Videoüberwachungskameras und der bewaffneten Ordnungskräften.


Jerusalem verließ ich in Richtung Norden. Mein nächstes Etappenziel war Nablus. Kurz vor dem Checkpoint in einem arabischen Viertel von Jerusalem wurde ich von einem jungen Araber auf einem Mountainbike angegriffen. Er kam von hinten mit hoher Geschwindigkeit und versuchte mich mit einem heftigen Schlag vom Rad zu stürzen. Er zog an mir vorbei und als er feststellte, dass ich nicht gestürzt war, wendete er und kam zurück und versperrte mir im Weg. Erst als ich ihm drohte, mit dem Handy schon am Ohr, die israelische Polizei anzurufen, flüchtete er!  Am Checkpoint hatte ich dann das Problem, dass mich die israelischen Soldaten nicht in Palästina einreisen lassen und mich schikanös „zurück in die Wüste“ schicken wollten!


Inzwischen machte ich mich auf das Schlimmste gefasst. Umso erstaunter war ich, dass ich in Palästina nur freundlichen und hilfsbereiten Menschen begegnete. In Nablus fand ich Aufnahme im „International Friends Guesthouse“, welches ich für Individualreisende sehr empfehlen möchte. Nablus ist eine Stadt, so wie ich mir eine quirlige arabische Stadt immer vorgestellt habe: viele geschäftige Menschen, enge Souks mit vielen kleinen Händlern, bunten Warenauslagen, Früchten, Gemüse, etc. Abends bin in das türkische Hammam gegangen, welches sich in einem 1000 jährigen Gemäuer befindet. Das war ein einzigartiges Erlebnis. Nicht nur für die Pflege und Entspannung der strapazierten Beinmuskulatur, sondern insbesondere von den gastfreundlichen Kontakten zu den anderen Badenden. Die Kommunikation verlief ausschließlich nonverbal und über freundlichen Augenkontakt.


Als ich Palästina über die Straße Richtung Netanya verlassen wollte, wurde ich am Checkpoint erneut von den Soldaten abgewiesen. Diesmal war die offizielle Begründung: „no bikes, only cars“. Sie gaben mir den Rat wieder dort auszureisen wo ich eingereist sei, nämlich Jerusalem! Das Problem habe ich dann auf meine eigene Art schnell gelöst. Den nächsten Palästinenser, der den Checkpoint passieren wollte, hielt ich an. Wir fuhren dann gemeinsam die 30 m durch den Checkpoint, das Rad aus dem Kofferraum hängend, wohlverstanden. Jeder Kommentar erübrigt sich. Danach setzte ich meine Tour mit eigener Kraft fort.


Auf dieser Tour hatte ich - vor allem in Israel - auch sehr schöne Erlebnisse mit den Menschen. Ich habe sie als sehr solidarisch, gastfreundlich und hilfsbereit in Erinnerung. Überall wo ich in Israel im Zelt übernachtete wurde ich als Alleinreisender vorurteilslos  miteinbezogen. Ich denke gerne an die vielen interessanten Gespräche zurück und an den freundschaftlichen Umgang. Ganz besonders beeindruckt hat mich die israelische Art von Freunden weiter gereicht zu werden, die dann wieder neue Freunde werden, und so weiter. Also ganz ohne Patenschaft von Facebook.


An dieser Stelle will ich mich bei allen in Israel bedanken die mit beigetragen haben an dem Gelingen dieser Radtour, insbesondere bei Nava.


Weitere Fotos von der Fahrradtour können in der Fotogalerie angesehen werden.


                                                          Alexander Jung


Fakten:


  • Die Gesamtstrecke der Tour betrug ca. 1400 km.

   

  • Die Tagesleistung betrug iM 85 km/Tag. Die max. Tagesdistanz betrug 112 km.


  • Die täglichen Höhendifferenzen betrugen iM ca. 1000 m (bis auf die Abschnitte an der Mittelmeerküste und dem Toten Meer entlang).