In Lima (30 müM) angekommen empfing uns der peruanische Winter mit milden 22° C und einer dicken Nebeldecke über allem. Das Gepäck war unvollständig, ein Teil sei auf dem Weg nach Tel Aviv….also richteten wir uns gemütlich für ein paar Tage in Lima  ein. Außer der Plaza im Zentrum hat die Stadt aus touristischer Sicht nicht viel zu bieten, dagegen nervten chaotische Verkehrsverhältnisse, ein nicht endendes Hupkonzert der Autofahrer und ein dichtes Gewusel von Menschen.


Als das Gepäck mit 2 Tagen Verspätung ankam, verließen wir fluchtartig um 5 Uhr morgens die Stadt. Die einzige Zeit, wo man als Radfahrer sich auf den Straßen bewegen konnte, ohne sein Leben riskieren zu müssen.  


Wir fuhren Richtung Süden auf der Panamericana immer der Küste entlang. Die Strasse ist autobahnmäßig erst mit 4 und später mit 2 Spuren ausgebaut und hat ein großes Verkehrsaufkommen. Zum Glück gab es einen ein Meter breiten Seitenstreifen, auf dem wir relativ sicher fahren konnten.


Die Fahrt an der Küste war nicht so prikelnd aber es gab keine andere Wahl. Die Küstenlandschaft wechselte zwischen intensiv bewirtschafteten landwirtschaftlichen Großbetrieben und wüstenartigen Abschnitten. Je nach Verfügbarkeit von Wasser.


Die erste richtige Verschnaufpause legten wir in Paracas ein. Der kleine Ort liegt direkt am Meer und abseits von der Panamericana. Ein lohnenswerter Stopp.


Mit einer organisierten Bootsfahrt fuhren wir zu den Islas Ballestas und konnten auf der Halbinsel von Paracas ein überdimensionales Scharbild bewundern, den Candelabro. Auf den Inseln wurde noch bis in jüngster Zeit Guanokot als Dünger für die Landwirtschaft abgebaut. Heute ist es ein Nationalpark und bietet zahlreichen Wasservögel, Robbenkolonien und einigen Pinguinen Schutz. Der Nationalpark auf der Halbinsel erschließt sich vom Land her über unbefestigte Waschbrettpisten und ist ein abenteuerlicher Ausflug mit dem Fahrrad.


Für Feinschmecker ist ganz besonders das ortstypische Gericht Ceviche aus rohem marinierten Fisch zu empfehlen.


Vom nächsten Ort Ica lohnt sich ein kleiner Abstecher in die Wüstenoase Huacachina, die um eine Lagune mit einem schönen Palmenbestand inmitten hoher Sanddünen liegt.


Falls man in Ica eine Werkstatt für sein Fahrrad braucht, kann man sich an Yanett wenden.



eMail:   woman-savia@hotmail.com



Als nächstes Ziel fuhren wir zu den Geoglyphen von Nazca. Noch vor Nazca quert die Panamericana pietätlos die ersten Scharrbilder aus präkolumbischen Zeiten. Von dem an der Carretera gelegen Aussichtturm kann man zwei Scharrbilder ausmachen, die in der Nähe liegen und unbeschädigt sind. Ein absolutes Muss ist der Besuch des kleinen verstaubten Museums von Maria Reiche, die maßgeblich für die Erhaltung und Erforschung der Geoglyphen tätig war.


Anschließend leisteten wir uns einen Flug mit einer kleinen Propellermaschine (das Auswärtige Amt warnt!) über diese einzigartigen Denkmäler aus alten Zeiten, die so vielfältig und abenteuerlich interpretiert worden sind. Der Flug aus geringer Höhe über die zahlreichen Geoglyphen ist an sich abenteuerlich genug und vergleichbar mit einer Achterbahnfahrt. Jedenfalls waren wir neugierig und haben uns sehr beeindrucken lassen von der Vielzahl und den unglaublichen Dimensionen dieser Scharrbilder. Nazca hat noch mehr zu bieten: Mit dem Fahrrad leicht zu erreichen war die in der Wüste liegende Nekropolis von Chauchilla. Zu sehen waren Mumien, Grabbeilagen und  Spuren früherer Plünderungen, sowie die Bemühung die Reste würdevoll zu erhalten.


Ab Nazca fing für mich die eigentliche Tour an. Ab Nazca (620 müM) ging’s zur Sache. Sabine zog es vor den nächsten Abschnitt mit einem Collectivo zu bewältigen. Wir machten einen Treffpunkt in Puquio (3600 müM) in 3 Tagen aus. Dazwischen lag ein Pass mit  4390 müM. Ich hatte vor den Pass in 3 Tagen zu überqueren und damit gleichzeitig eine Höhenanpassung vorzunehmen. Zum Glück waren die steilsten Anstiege am Anfang und je höher ich gelang desto geringer wurden die Steigungen aber auch der Luftdruck. Ab Puquio radelten wir wieder zusammen. Bisher hatten wir immer in Hostels übernachtet, weil ein Zelten in der intensiv genutzten Landschaft nicht möglich war. Auf der Bergstrecke gab es kaum noch Dörfer und auch keine Hostels mehr. Ohne Campieren in der Wildnis wäre der Anstieg mit dem Fahrrad nicht zu bewältigen. Je höher wir kamen, desto kälter wurde es. Schließlich befanden wir uns in der Winterzeit und wir mussten mit Schnee und Temperaturen weit unter 0° C rechnen. Im Gegensatz zur Panamericana war die Passstrasse wenig befahren, so dass richtig Freude am Fahrradfahren aufkam.  Bis Cusco folgte die Strasse engen, grünen und zersiedelten Tälern und es war ein endloses auf und ab, die Höhen schwankten zwischen 1600 müM und 4300 müM.


Cusco lag auf der Hälfte unserer geplanten Gesamtstrecke. Wir wollten von dort aus eine Möglichkeit finden, um nach Machu Picchu zu gelangen. Als Individualreisender ist es ganz schwierig, wenn nicht fast unmöglich auf eigene Faust dort hin zu gelangen. Machu Picchu ist voll im Griff der Reisebüros und der Tourismusindustrie. Aus dem Internet hatten wir zuvor erfahren, dass man sich Monate im Voraus für einen Reisetag und für teures vorausbezahltes Geld festlegen muss. Dies war uns aber nicht möglich bzw. das Risiko zu spät anzukommen war zu groß. Vor Ort gelang es dann, allerdings auch für teures Geld, aber immer noch preiswerter als über das Internet, nach Machu Picchu zu gelangen. Allerdings mussten wir einige Um- und Fußwege in Kauf nehmen, was uns gut trainierten Radfahrern nur entgegen kam. Der Erlebniswert des Besuches dieser einzigartigen Festung wurde dadurch noch erhöht, dass wir in aller Frühe mit Kopflampen ausgerüstet auf einem alten Inkapfad den Berg erklommen, um um 6 Uhr morgens, wenn die Anlage für das Publikum geöffnet wurde bei den Ersten zu sein. So konnten wir ein einzigartiges Schauspiel erleben, wie Machu Picchu sich langsam und geheimnisvoll aus den Wolken löste um sich dann in aller Pracht in der Sonne zu präsentieren. Im Nachhinein waren wir froh und glücklich, dass wir die alte Inkastadt gesehen hatten. Es hatte sich allemal gelohnt!






von der Pazifikküste über die Anden in die Amazonasebene

31.5 bis 31.7.2011

In Cusco war viel los, weil kurz hintereinander zwei große Stadtfeste stattfanden. Zum Einen eine christliche Prozession, bi der Heiligenfiguren mit viel Pomp und Trara durch die Strassen getragen wurden und zum anderen das  heidnische Inkafest Inti-Raymi, welches sowohl auf der Plaza als auch in der alten Inkafestung Cuscos Sacayhnaman abgehalten wurde.


Für Reiseradler ist in Cusco das preiswerte Hostal Estrellita besonders zu empfehlen, wegen der zentralen Lage und der Tatsache, dass sich hier wie abgesprochen viele Reiseradler treffen. Und nicht zuletzt wegen der freundlichen, zugewandten Art der beiden Brüder Francisco und Victor.


eMail:   estrellita.b@hotmail.com


In Cusco besteht die Möglichkeit sein Fahrrad durch kompetenter Hand reparieren zu lassen, bzw. Ersatzteile zu erhalten.  Empfehlenswert ist Ruso Covarrubias, mehrfacher Crosscountry Meister Perus und leidenschaftlicher Schrauber, der darüber hinaus Jugendliche von der Strasse holt und sie für den Radsport begeistert….


eMail:   russobike@hotmail.com


Und weiter ging es auf dem Altiplano Richtung Lago Titicaca. Das Altiplano ist eine Hochebene in Höhen zwischen 3500 müM und 4300 müM, die von mittelgebirgsähnlichen Bergzügen umsäumt ist. Kurz unterhalb des Passes Abra Raya campierten wir beim Thermalbad Aguas Calientes. Nachts, als alle Gäste das Bad verlassen hatten, badeten wir in dem lehmigbraunen heißen Thermalwasser, bzw. wurden dort regelrecht abgekocht.  



Immer wieder trafen wir andere Reisradler, tauschten Infos aus und fuhren dann weiter. Manche traf man, wenn sie dieselbe Richtung hatten, mehrmals.



Eine besondere Attraktion waren die steinernen Grabtürme von Sillustani. Sie sind zwar durch diverse Erdbeben stark beschädigt worden, versetzten uns in ehrfürchtige Bewunderung wegen ihrer wunderbaren Einbettung in die natürliche Umgebung und nicht zuletzt auch wegen ihrer präzisen und mächtigen Ausführung.

 


In Puno angekommen, entschieden wir uns wegen des regnerischen Wetters eine Pause einzulegen und besuchten die schwimmenden Inseln Uros. Was früher Fluchtstädte der Indigenas vor den Inkas war ist heute eine Touristenattraktion, die an Museumsdorf und Zoobesuch erinnert, also eher gemischte Gefühle hinterließ. Den Besuch hätte man sich schenken können.



Die Küstenstrasse längs des Lago Titicacas verläuft ohne interessante Sichtbeziehungen zum Wasser. Dagegen bot die bolivianische Seite umso mehr Augenfutter. Von Copacabana in Bolivien aus fuhren wir mit einem Boot auf die Isla del Sol. Dies war wieder ein ultimatives Erlebnis. Wir wurden verwöhnt mit wunderschönen Landschaftsbildern und dem Sonnenlicht, das in dieser Höhe besonders intensiv scheint.





Um nach La Paz zu gelangen wählten wir die Variante über den Ausgrabungsort Tiwanaku. Auch wenn die Rekonstruktion der Anlage fragwürdig erschien, so vermittelte sie doch eindrücklich, dass hier schon vor über 1000 Jahren indianische Hochkulturen lebten, deren Verschwinden bis heute ein Rätsel geblieben ist. Die Anlage diente in der Zeit der Conquistadores als Steinbruch zum Bau der pompösen Barockkirchen von La Paz und später auch für Eisenbahnbauwerke.


Endlich in La Paz (3600 müM) angekommen suchten wir das Casa de Ciclistas auf.


Für Reiseradler aus aller Welt ist das Chuquiago Bike Café der Begegnungsort. Es befindet sich zentral in der Altstadt.


Die Stadt ist ein Moloch und außer der Altstadt wenig attraktiv. Dagegen ist die Lage in den Bergen einzigartig.




Nach zwei Ruhetagen verließen wir die Stadt Richtung Norden über die Cumbre. Unser Endziel Rurrenabaque liegt in den Niederungen des Amazonasbeckens und rückte in greifbare Entfernung. Bis dahin waren noch 370 km Pista de Tierra zu fahren.


Wir fuhren die berühmt berüchtigte Ruta de la Muerta durch die Urwälder hinunter. Seit dem Neubau einer asphaltierten Ausweichstrasse wird die Ruta de la Muerta kaum noch von Fahrzeugen befahren und ist ein Spielplatz für Downhill Biker geworden. Ironischerweise hat sie dadurch ihren Ruf gefestigt….weil immer wieder ungeübte Touristen, angestiftet von geschäftstüchtigen Reiseagenturen, sich dem Kick dieser Strasse aussetzen und die eine oder andere Kurve nicht richtig nehmen. Und … das war´s dann.


Nach Sta Barbara setzte der Autoverkehr in vollem Maße wieder ein. Die Pista war schmal und der ganze Verkehr quälte sich dadurch. Wir befanden uns in einer permanenten Staubwolke. Das satte Grün der Urwälder war mit einer weißgräulichen Staubschicht überzogen. Beim Atmen riskierte man eine Staublunge. Die Pista de Tierra war in einem denkbar schlechten Zustand. Außerdem wurden wir durch zahllose Baustellen am Fahren behindert. Am 4. Tag fing es an zu regnen. Das eine Übel wurde durch ein anderes ersetzt. Der Regen sollte uns bis Rurrenabaque nicht mehr verlassen! Wie zu befürchten war, weichte die Pista auf und verwandelte sich in eine breiige und schmierige Angelegenheit. Laut Wetterstatistik regnete es in dem Monat Juli nur einen Tag, deshalb hatten wir diese Jahreszeit vorgesehen! Bei den aktuellen Umständen schafften wir maximal 30 km am Tag, waren eingedreckt und durchweicht. Eine Quälerei, deren Ende erst in Rurrenabaque abzusehen war.


Nach 8 Tagen erreichten wir endlich Rurrenabaque (320 müM). Das kleine Städtchen liegt am Rande der endlosen Amazonasebene inmitten einer grünen Urwaldlandschaft, durchzogen vom lehmigbraunen Wasser des Rio Benis. Wir konnten uns in dem Ort von den Strapazen erholen und uns bei köstlichen Fischgerichten gut gehen lassen!








Mit einem Langboot fuhren wir 2 Tage später 12 Stunden den Rio Beni und den Rio Kaka lang bei strömenden Regen flussaufwärts, um nicht dieselbe Piste nach La Paz zurückfahren zu müssen. Den letzen Abschnitt nach dem Anlanden in  Mayaya weiter über Guanay nach La Paz bewältigten wir mit Taxi und Bus. Es hatte gereicht.

Von den aufgeweichten Pisten allemal. Wir waren satt. Abgefüllt mit vielen Abenteuern, vielen Bildern und vielem Unverdauten.


In La Paz bereiteten wir unseren Rückflug vor, demontierten und verpackten die Fahrräder. Es verblieben uns noch ein paar Tage Zeit, die wir nutzten, um noch einen Ausflug zur Silbermine in Potosi und zur Hauptstadt Boliviens Sucre zu unternehmen.  In Potosi bieten ehemalige Minenarbeiter geführte Touren durch das Bergwerk: The Real Deal Tours ist dafür die kompetente Agentur.


Die Tour war letztendlich eine gelungene Mischung von Sportlichem und Kulturellem, von Abenteuerlichem und Genuss, trotz der Fahrerei in Staub und Dreck am Ende der Tour. Letzteres verbuchte ich unter… „ein bisschen Misere gab es auch“.


Weitere Fotos von der Fahrradtour können in der Fotogalerie angesehen werden.


Alexander Jung




Für diejenigen, die noch mehr über das Reisegebiet erfahren wollen oder vom Velofahren im Allgemeinen oder diesem Lifestyle bereits verfallen sind, sind folgende Internetseiten herzlichst empfohlen. Sie sind von RadfahrerInnen, die wir unterwegs angetroffen haben (im Gegensatz zu ihnen sind wir Waisenkinder), die Crème de la Crème der Radfahrer Community :









Fakten:

Die Gesamtstrecke der Tour betrug ca. 2200 km.  

      Davon waren 450 km Pista de Tierra und 1750 km Asphalt.


Unsere Tagesleistung betrug iM 70 km/Tag.

      Die max. Tagesdistanz betrug 102 km.


Die max. gefahrene Passhöhe betrug 4500 müM.


Schäden an den Fahrrädern:

1 Speiche (S)


1 Tretlager (A)


1 Schalthebel (A)


1 gerissene Felge (A)


1 gebrochener Gepäckträger (A)


Radtour Peru / Bolivien