Paddeltour Schweden Ostschären 2020


von Blankaholm nach Nyköping, vom 31.8. bis 10.9.2020

Fotos: Alexander Jung und Klaus Zobel

Der nächste Tag überrascht uns mit einem ganz anderem Wetter. Es bleibt den ganzen Tag durchwachsen: kleine Schauer wechseln mit sonnigen Einlagen und über allem spannt sich ein Himmel mit zerzausten weißen und schwarzen Wolken. Der Wind hat auf 4 Bf aufgefrischt. Wir sind jetzt in der richtigen Jahreszeit angekommen. In den offenen Bereichen zum Meer geht es hoch her: Wellen bis zu 1,5 m Höhe sind eine Gaudi.



In Hallmareviken glauben wir den ersten Seehund auszumachen, der sich unbeweglich und breit auf einer flachen, kaum aus dem Wasser ragenden, Felsplatte räkelt. Als wir uns ihm nähern, scheint er ganz unbeeindruckt zu bleiben. Bisher haben wir Seehunde, wenn wir uns ihnen näherten, als sehr neugierig aber auch sehr scheu erlebt. Das Phänomen erklärte sich bald...es war eine Plastik, ein in Stein gehauener Seehund mit weißem Vogelkot übersprenkelt, was wie ein schwarzweiß geflecktes Seehundsfell aussah!

Ein Denkmal für die inzwischen fast ausgerotteten Tiere oder einfach nur ein Kunstobjekt für zufällig vorbeikommende Paddler oder Segler?



Abends beziehen wir wieder eine idyllische Schäre, aber wegen des starken Windes ist uns heute nicht nach Lagerfeuer zu Mute.



In der Nacht kommt Regen auf, der bis in den Vormittag anhält. Wir paddeln trotzdem los. Es ist unser 3. Paddeltag.



Auf  St. Grindö sehen wir ein paar von diesen typisch schwedischen, rot gestrichenen Holzhäusern mit einer kleinen Marina. Wir legen an den speziell vorgesehenen Anleger für „KayaꞰ“´s an.



Von einem Fischer können wir einen graved Lachs aus eigener Herstellung kaufen und unsere Frischwasserreserven nachfüllen. Der Fischer betreibt dort ziemlich einsam einen kleinen Betrieb, wo er vorbeikommenden Seglern und Paddlern mit dem Notwendigsten und auch mit ein bisschen Luxus versorgt.




–> Übersichtskarte


Eigentlich wollten mein Paddelfreund Klaus und ich in diesem Jahr eine Wildwasser-Revival-Tour in den Alpen machen. Die im Frühling aufziehende Corona-Pandemie hat uns aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Deshalb beschlossen wir, unsere jährliche Paddeltour in den Spätsommer zu verschieben, soweit es mit den Coronaeinschränkungen vereinbar war.



Die Wahl fällt auf die schwedischen Ostschären: die Strecke von Nyköping nach Blankaholm. 2006 waren wir schon einmal und in derselben Jahreszeit in den Ostschären unterwegs, aber in dem Abschnitt Nyköping nach Stockholm.



Bei spätsommerlichen Temperaturen überqueren wir die Ostsee mit der Fähre Rostock – Trelleborg. Unterwegs zur Einsatzstelle holen wir den aktualisierten Wetterbericht ein. Von der Langzeitprognose her zu beurteilen ist eine Ausrichtung der Tour von Blankaholm nach Nyköping vorteilhafter als - wie ursprünglich geplant - umgekehrt.



Gesagt, getan. Am nächsten Tag starten wir am späten Nachmittag in der Marina von Blankaholm. Das Wetter ist für die Jahreszeit ungewöhnlich warm und in den Schären ist es fast windstill. Wegen der fortgeschrittenen Tageszeit schaffen wir am ersten Paddeltag nur eine kurze Strecke. Unsere erste Schäre ist minimässig und nahe am Wasser gebaut...Campieren, Essen und Schlafen auf kleinstem Raum und fast auf Wasserhöhe. Schon am ersten Abend werden wir mit einem prächtigen Sonnenuntergang beglückt.



Der folgende Tag ist wieder warm und wir haben nur leichten Gegenwind von 2 - 3 Bf. Eigentlich richtiges Genusspaddeln. So haben wir die Schären in dieser Jahreszeit noch nie erlebt. Wir campieren am späten Nachmittag auf einer Schäre mit Blick auf Västervik. Abends kühlt es ab und wir erwärmen uns an einem schönen Lagerfeuer. So traumhaft schön kann Paddeln sein.







Sein Einraumhaus ist eine Mischung aus Küche, Laden und Restaurant. Der Raum ist äußerst originell und liebevoll bis ins kleinste Detail mit  marinen Requisiten eingerichtet. So etwas kann man nur noch zufällig aufspüren. Auf uns wirkt es wie ein kleines maritimes Heimatmuseum.



Kaum sind wir wieder auf dem Wasser, kübelt es aus allen Wolken. Es ist absolut windstill und die Wellen werden durch den Starkregen platt gemacht! Darauf folgt als Finale ein toller Regenbogen, der sich über das Meer spannt. Gegen Abend nach einigen Huschen mehr, schlagen wir unser nächstes Camp auf, wieder auf einer idyllischen Schäre. Ein ereignisvoller Tag!



Der nächste Tag läuft eintöniger ab. Der gestrige Tag ist noch stark im Gedächtnis und ist nun Massstab.

Tendenziell paddeln wir einen nördlichen Kurs. Trotzdem: in dem Labyrinth der zahllosen und kaum zu unterscheidenden Schären ist das Paddeln alles andere als eine übersichtliche Angelegenheit. Das Navigieren aus der Paddlerperspektive, ohne dabei die Orientierung zu verlieren, ist extrem anspruchsvoll. So hatten wir heute eine Situation, die uns leicht irritierte: für kurze Zeit war keine Übereinstimmung der Insellandschaft mit der Karte zu finden. Später am Abend beziehen wir in einer windgeschützten Bucht wieder ein lauschiges Lagerplätzchen.



Den nächsten Tag nutzen wir als Ruhetag. Es bleibt windig und durchwachsen: ruhiges sonniges Spätsommerwetter wechselt mit kleinen Regeneinlagen. An beiden Abenden geht die Sonne in den schönsten Farben und Stimmungen unter.



Im weiteren Verlauf der Paddeltour legen wir noch einen Ruhetag ein: auf der Schäre Hästö. Gegenüber „unserer“ Schäre in St. Getskär gibt es sogar Paddlerinfrastruktur: einen Kanuverleih und einen kleinen Landhandel, wo wir wieder die Wasservorräte auffrischen können und geräucherten Lachs kaufen.



Das Wetter bleibt weiterhin wechselhaft und an einigen Tagen haben wir auch richtig mit dem Wind zu kämpfen. Dabei überschreiten die Windstärken nur gelegentlich 4 – 5 Bf.  Bedingt durch den Schutz in den Schären bleibt der Wellengang dort moderat. Nur in den offenen Bereichen erreichen die Wellen gelegentlich Höhen von ca.1,5 m.



I.A. haben wir trotz vorangeschrittener Jahreszeit großes Glück - auch was die Temperaturen betrifft. Ich erinnere mich noch gut an unsere Paddeltour in dem nördlicheren Bereich der Ostschären vor 14 Jahren, wo wir kurz vor Stockholm in einen Schneesturm auf dem Wasser gerieten und wegen der Kälte vorzeitig aussetzen mussten. Die Hände waren zu kalt. Wir konnten das Paddel nicht mehr halten!  



Ziemlich zum Ende unserer Tour müssen wir noch den Bosöfärden queren: ein breiter mit vielen Schären durchsetzter Fjord, der sich zur Ostsee hin öffnet. Zur Vermeidung offener Bereiche, wo uns starker Wind und hohe Wellen erwarten, wählen wir den "Rentnerweg" und hangeln uns von Insel zu Insel, möglichst in deren Windschatten.



Der Oxelösund bietet uns das absolute Kontrastprogramm zu unserer bisherigen Tour. Aus der Idylle der Schären taucht plötzlich eine dreckige und riesige Industrieanlage mit großem Hafenbecken auf. Es ist kaum fassbar, aber eben real. Man vergisst leicht, dass Schweden ein Industrieland ist. Wo gehobelt wird, fallen auch Späne!   


Kurz vor Nyköping steuern wir zum Anlanden einen am Wasser liegenden Campingplatz im Strandstuguviken an und beenden unsere abwechslungsreiche und schöne Tour. Am folgenden Tag holt Klaus das in Blankaholm geparkte Auto wieder zurück. Und kaum ist er wieder zurück, setzt ein ekliger Dauerregen ein. Wir sind froh, nicht noch die nächsten Tage auf dem Wasser und im Zelt verbringen zu müssen.


Weitere Fotos können in der Fotogalerie angesehen werden.


Alexander Jung













Fakten:


  • Die gepaddelte Gesamtstrecke betrug  ca. 200 km.


  • Die mittlere Tagesstrecke betrug ca. 25 km.

         Die maximale Tagesstrecke betrug ca. 30 km


  • Wetterbericht kann aktuell per SmartPhone über die App Windfinder  von einigen Messstellen in den Schären eingeholt werden. Handyempfang gibt es fast überall.



  • Logistik: öffentlicher Nahverkehr mit Bus von/nach Nyköping oder Blankaholm.