Radtour Berlin Helsinki 2023

Über Polen und die baltischen Staaten, vom 7.5. bis 15.7.2023

Fotos: Alexander Jung und Olga Wernet

Wegen der frühen Jahreszeit sind noch nicht alle Campingplätze entlang der Route geöffnet...und so müssen wir manchen Kilometer mehr fahren. In Ueckermünde setzen wir mit einer kleinen Fähre über das Oderhaff nach Kamminke. Wir sind die einzigen Passagiere...Einen Katzensprung weiter befinden wir uns schon in Polen. In Swinemünde legen wir den ersten Pausentag ein und besichtigen die Stadt. Wegen der Grenzlage zu Deutschland ist sie von einer wechselhaften Geschichte gezeichnet...insbesondere die beiden großen Forts in der Hafeneinfahrt machen dies deutlich. Die Stadt ist ein Konglomerat aus Kurhotels, militärischen Bauten, Platten- und Industriegebäuden und Hafenanlagen.


Wir verlassen Swinemünde und nehmen den gut ausgeschilderten Radweg R10 in Richtung Osten und werden unsanft von unseren Ansprüchen bezüglich Oberflächenqualität runtergeholt...Natürlich gibt es auch schöne Strecken mit „Flüsterasphalt“! Aber zu oft haben wir es mit einem Mix aus holprigem oder von tiefen Schlaglöchern übersätem Asphalt, losem Splitt auf ungesicherten Baustellen, Kopfsteinpflaster und Pflastersteinen auf Gehwegen etc. zu tun. Das ist zwar immer irgendwie fahrbar, aber eine echte Spaßbremse.










Hinter dem slowinzischen Museumsdorf Kluki führt der R10 von Westen kommend durch ein Sumpflabyrinth. Trotz kleiner Holzstege mussten wir immer wieder unsere Räder durch tiefes Gras und matschige Erde schieben. Eine Stelle müssen wir sogar umfahren, weil tiefer Morast sie unpassierbar macht (es sei denn, man wäre bereit, sein geliebtes Fahrrad und die Gepäckstücke einzeln durch schwarzen Sumpf zu tragen). Die Alternative ist noch herausfordernd genug: erst eine lange Strecke über holprige Lochbetonplatten und danach nicht enden wollende, sandige Pisten durch den Wald, wo gefühlt mehr Schieben als Fahren möglich ist.


Viele Ortschaften, durch die wir fahren, weisen noch heute sehenswerte Zeugnisse aus der Zeit der Besiedelung im 13./14. Jhdt. auf. Um einige zu nennen: jede Menge Kirchen, prächtige Kathedralen und Burgen der Deutschen Schwertbrüderorden (deutsche Kreuzritter) in der landestypischen gotischen Backsteinarchitektur, und z.T. gut erhaltene mittelalterliche Ortskerne.




Trotz all dieser Unannehmlichkeiten hat Polen hier im Norden viel Augenfutter zu bieten. Es ist eine gewachsene Kulturlandschaft, deren Geschichte eng mit der deutschen verwoben ist. Die Landschaft selber ähnelt mehr oder weniger der von Brandenburg oder Mecklenburg Vorpommern. Mit Ausnahme der Nehrungen gibt es keine originären Landschaftsbilder. Für unser Auge nicht so viel richtig Neues.


Von den Nehrungen finden wir die nordöstlich von Darłowo gelegene interessant. Sie weist zwar keine großen Höhen auf, aber der schmale Sandstreifen bietet an vielen Stellen schöne Ausblicke durch den Kiefernwald sowohl auf die Ostsee als auch auf die Lagune.


Phänomenal ist die Nehrung im Słowiński Nationalpark. Auf ihr befindet sich westlich von Łeba eine riesige Wanderdüne, die sich jährlich ca. 8 Meter in Richtung Osten bewegt. Hier hat man ein kleines Stück Sahara, wenn das Wetter stimmt, und wegen der Höhe von ca. 40 Metern bieten sich weite Blicke in die Umgebung! Das ist ein absolutes must-see auf einer Ostseeradtour.





Weitere Fotos können in der Fotogalerie angesehen werden.


Alexander Jung









Fakten:


  • Gesamttourlänge: Berlin - Helsinki           3300 km

                                       Berlin - Klaipeda         1800 km               


  • Durchschnittliche Etappenlänge:                 65 km


  • Längste Tagesetappe:                                     100 km


  • Schäden am Fahrrad (A):  beide Pedalen erneuert

                                                    4 gerissene Speichen

                                                    1 kaputter Schalthebel

                                                    1 kaputter Schlauch


                                                    Kette und Ritzel erneuert                                                     (vorsorglich)

                                                            





Der R10 (oder auch EV10) folgt planmäßig der Ostseeküste und soll als europäisches Projekt die gesamte Ostsee umrunden. Das Projekt ist finanziell gefördert von der EU und soll den europäischen Gedanken werbewirksam auch in die neuen europäischen Länder hineintragen...so weit ein förderungswürdiges Projekt.


Allerdings sieht, bis auf wenige Ausnahmen, die Realität der Umsetzung dieses Gedankens anders aus: i.d.R. existiert der Radweg mehr oder weniger nur auf dem „Papier“, auf touristischen Hochglanzprospekten, in (Open Source-) Karten, auf Schautafeln am Weg und natürlich im Netz.


In Polen wie auch in den baltischen Ländern muss man nach der Straßenverkehrsordnung als Radfahrer die Fußgängerwege nehmen, dort wo keine Fahrradwege ausgewiesen sind. Nur wo es beides nicht gibt, darf bzw. muss man die Straße nehmen. Das Konfliktpotential ist groß. Als Radfahrer kommt man auf den Fußgängerwegen kaum vorwärts und auf der Straße ist man der Gejagte, bzw. wird von ihr herunter gedrängt.


In den ersten Tagen folgen wir dem R10 parallel zur Küste, an in Bau befindlichen Hotelburgen und Ferienanlagen für den sommerlichen Badetourismus und kitschigen Massenbespaßungsanlagen vorbei. Es ist noch Mai und nicht viel los, alles lässt aber den Rummel zur Badesaison erahnen. Wir sind froh, nicht im Sommer hier vorbeizukommen. Der Radwanderweg R10 führt häufig durch die küstennahen Kiefernwälder. Die Qualität der Waldwege ist oft hundsmiserabel. Schon am 2. Tag müssen wir die schwer bepackten Räder schieben...und das auf dem offiziell ausgewiesenen Radweg: die Oberfläche besteht nur noch aus lockerem Sand...da drängt sich natürlich die Frage auf, ob da wohl auch die R10-Fördergelder der EU versandet sind? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das planmäßig so gewollt ist!









Olga und ich starten unsere Tour an der S-Bahnstation Bernau, nördlich von Berlin auf dem Radweg Berlin – Usedom. Anfangs ist er super ausgebaut und landschaftlich abwechslungsreich. Das Wetter ist noch kühl, aber sonnig. Unterwegs gibt es einige Sehenswürdigkeiten: typische kleine Dorfkirchen umgeben von einem Anger und die in Restaurierung befindliche Marienkirche in Prenzlau. Alles keine Sehenswürdigkeiten ersten Ranges, aber es sind angenehme kleine Momente zum Innehalten. Besonders schön sind die blühenden Bäume, die leicht hügelige Landschaft und die gelben Rapsfelder. Nur die Ausschilderung des Radweges wäre noch verbesserungswürdig. Wir haben Spaß, wieder im Sattel zu sitzen und das große Ziel vor Augen ist motivierend.






Erwähnenswert ist auf jeden Fall das slowinzische Museumsdorf Kluki. Es besteht aus einer Ansammlung alter Bauernhäuser der ursprünglichen pommerschen Bevölkerung mit originalen Gebrauchsgegenständen und Werkzeugen fürs tägliche Leben, die als kulturelles Erbe erhalten werden sollen.


Auf unserer Route durch Polen ist Danzig die sehenswerteste Stadt. Es ist eine mittelalterliche Stadt, die wegen großer Zerstörung im 2. Weltkrieg wieder aufgebaut werden musste. Wir sind beeindruckt davon, wie es gelingt, sowohl städtebaulich als auch architektonisch, die alte Stadt behutsam zu rekonstruieren und daneben Neues zu erschaffen. So ist man dabei, eine gelungene Mischung aus hervorragend instandgesetzten Altbauten und neuzeitlichen, z.T. originellen Konstruktionen zu einem Ganzen zu verbinden.


Auf dem weiteren Weg nach Osten gibt es bei dem Städtchen Elblag eine technische Rarität zu bewundern. Dazu mussten wir uns auf dem Oberlandkanal zu einer Schiffsfahrt der besonderen Art aufmachen.





Das Einzigartige an dem Kanal ist nämlich, dass die Schiffe, um den Höhenunterschied von ca 100 Metern zu überwinden, komplett geslippt werden, d.h. sie werden Huckepack auf einem Schienenwagen über 5 Rollberge gezogen und das nur mit Wasserkraft.


Wegen des Ukraine Krieges umfahren wir großräumig Kaliningrad. Auch entlang der nahen Grenze wird man immer wieder mit der alten und neueren Geschichte Deutschlands konfrontiert. Östlich von Kętrzyn besichtigen wir die sog. Wolfsschanze, das ehemalige Hauptquartier des Führers und seines Stabes im 2. Weltkrieg. Diese Anlage versinnbildlicht den zu Stein gewordenen Größenwahn.


Als wir Polen Richtung Litauen über die grüne Grenze verlassen, haben wir nur eine Hoffnung: dass die Verhältnisse auf den Straßen in Litauen besser werden. Zuletzt haben wir versucht, möglichst auf wenig frequentierten Nebenstraßen zu fahren, immer in der Hoffnung, dem aggressiven und respektlosen Verhalten polnischer Autofahrer gegenüber Radfahrern weniger ausgesetzt zu sein.  



Leider werden unsere Hoffnungen aber nicht erfüllt. Auch in Litauen machen wir auf den Straßen die gleichen Erfahrungen wie in Polen. Hier passiert uns z.B., dass ein Radweg nach ein paar Kilometern plötzlich im Nirgendwo endet ... oder dass wir das Fahrrad stundenlang durch Sandpisten schieben müssen und dabei noch von Mücken und Pferdebremsen „aufgefressen“ werden. Da liegen die Nerven manchmal richtig blank!


Trotzdem erleben wir auch viele Schönes in Litauen. Besonders die Stadt Vilnius hat es uns angetan. Ganz anders als Danzig drängt sie sich nicht auf, sondern ist eine Fundgrube von immer neuen Entdeckungen. Als wir dann endlich in Kaunas ankommen, hat Olga für sich entschieden, von Klaipėda mit der Fähre nach Berlin zurückzufahren. Sie war satt von den vielen schönen Dingen, die wir gesehen und erlebt haben. Aber sie hatte auch genug von den schlechten, unberechenbaren Fahrstrecken und von dem gefährlichen Straßenverkehr, wo man laufend von der Straße abgedrängt wird oder mit vorbei bretternden LKWs auf Tuchfühlung gehen muss.


Nachdem wir uns in Klaipėda verabschiedet haben, fahre ich allein Richtung Norden, wieder auf dem R10, der Küste entlang. Natürlich wird der R10 auf der Straße geführt, ohne irgendeine Entflechtung vom Autoverkehr. Und so sollte es bis Tallinn fast immer bleiben. Mein Glück ist, dass der Autoverkehr stark reduziert ist und die Straßenbeläge etwas besser sind als in Polen.



Die Fahrt entlang der Küste ist dennoch ziemlich dröge: immer dasselbe Landschaftsbild bestimmt durch endlose Kiefernwälder, also ziemlich abwechslungsarm. Das zieht sich dann weiter hin auch durch Lettland und Estland. Die Überquerungen der Grenzen zu Lettland bzw. zu Estland hätte ich nicht bemerkt, wären sie dort nicht auffällig angekündigt worden. Kein Wunder: diese Ostseeanrainerstaaten haben denselben geologischen Ursprung.


Liepāja ist wie Klaipėda eine Hafenstadt. Sie hat ebenfalls eine wechselhafte Geschichte, die man heute noch an der baulichen Substanz  ablesen kann. Insbesondere das zaristische Russland und später die Sowjetunion haben das Stadtbild signifikant geprägt. Unter Letzterer ist die Stadt regelrecht zu einem besonderen Ort verkommen. Aber absolut sehenswert!


Lettland ist wie Litauen dünn besiedelt. Allein in der Hauptstadt Riga lebt ein Drittel der Gesamtbevölkerung. In Riga konzentriert sich dann auch das wirtschaftliche und kulturelle Leben. Die Stadt liegt an der Ostsee und an dem schiffbaren Fluss Dagava und weist auch eine lange Geschichte auf, die bis in das 12./13. Jhd. zurück reicht. Auch hier gibt es zahlreiche bauliche Zeugnisse aller Stilepochen. Die Interessantesten stammen aus der Zeit der Hanse bzw. dem Jungendstil. Aber auch aus der sowjetischen Ära gibt es Sehenswertes z.B. die Universität im stalinistischen Zuckerbäckerstil.


Die Weiterfahrt in Richtung Estland erfolgt wieder auf dem küstennahen R10, der dann unvermittelt aufhört, um dann in einer autobahnähnlichen Schnellstraße, der A1, weitergeführt zu werden.


 Eine absolute Katastrophe für Radfahrer. Das war ein regelrechter Horrortrip, zumal es an jenem Tag auch noch regnete. Selbst auf der offiziellen Radkarte wird empfohlen, den R10 hier zu meiden und ein öffentliches Verkehrsmittel vorzuziehen! Holla, sollte da nicht ein Radweg sein?


Sobald wie möglich habe ich die A1 verlassen. In Estland schließlich sind zum Glück auch die meisten Nebenstraßen asphaltiert und in einem passablen Zustand. Es gibt nur wenig Verkehr. Ich wähle die Route über die westlichen Inseln Muhu, Saarema und Hiiumaa. Besonders die größte Insel Saarema ist landschaftlich abwechslungsreich und bietet außerdem viele kleine Sehenswürdigkeiten auf kleinem Raum, die mit dem Fahrrad optimal zu erkunden sind. Ich denke da an einige kleine Wehrkirchen, die Festungsanlage von Kuressaare, die vereinzelt noch bestehenden Bockwindmühlen und nicht zuletzt die Meteoritenkrater und vieles mehr.


Mit Tallinn, der Hauptstadt von Estland, schließe ich die Radtour mehr oder weniger ab. Wieder eine wunderschöne Stadt mit interessanter Vergangenheit, die noch in der Altstadt zu bewundern ist. Ich kenne bisher keine andere Altstadt, die noch so homogen und bis heute so gut erhalten ist. Und seit der Unabhängigkeit entsteht mit einer unglaublichen Dynamik Neues in den von den Sowjets herunter gewirtschafteten Quartieren quasi als städtebaulicher Kontrapunkt zur Altstadt. Nicht alles gelingt, aber es ist spannend zu verfolgen, wohin die Reise geht.


Um zu meinem Ziel zu gelangen, setze ich mit einer kurzen Schifffahrt von Tallinn nach Helsinki über. Schon am nächsten Tag geht die Fähre von Helsinki nach Travemünde und von dort nehme ich den Zug nach Berlin.


Die Einsicht, die ich am Tourende gewonnen habe, ist ziemlich ernüchternd: die postsowjetischen Staaten, Polen und das Baltikum, sind ungeeignet für Fahrradtouren. Der viel gepriesene Ostseeradweg ist an der Umsetzung mehr oder weniger gescheitert. Über die Ursachen kann ich nur spekulieren. Vielleicht ist alles nur eine Frage der Zeit, optimistisch gesehen!


An der West- und Südküste im September 2023

Fotos: Alexander Jung und Klaus Zobel


Fahrradtour BFahrradtour Berlin - Helsinki

erlin - Helsinki




Paddeltour Algarve Portugal

erlin - Helsinki



In dem kleinen Hafen von Porto Covo setzen wir ein. Das Wetter hält, was der Wetterbericht vorausgesagt hat. Zum Glück haben wir Nordwind, also parallel zur Küste. Schon bei den jetzigen Bedingungen ist es ziemlich sportlich. Das Paddeln an der Westküste ist mit größter Vorsicht anzugehen, besonders dann, wenn der Wind auf West dreht.


Im nahen Küstenbereich fällt das Wasser im Allgemeinen tief. Dennoch gibt es jede Menge küstennaher Untiefen, die der Steilküste vorgelagert sind. Man erkennt sie von weitem an den riesigen Wasserbergen, die sich zu mehrere Meter hohen, überschlagenden Wellen aufbauen, wenn die Dünung Richtung Küste läuft. Dann sollte man sich nicht zwischen den überschlagenden Wellen und der Küste befinden. Wir paddeln deshalb im respektvollen Abstand von zwei bis dreihundert Meter der Küste entlang.


Anfangs gibt es einige Bereiche mit Sanddünen, so wie man sie von der Ostsee kennt. Der größte Teil der Küste besteht aus magmatischem Gestein oder aus aufgeschmolzenen und gefaltenen Sedimentschichten. Dunkle Farben herrschen vor. Die Strukturen der geologischen Schichten und die unterschiedlichen Farbgebungen sind charakteristisch. Die Höhe der Steilküste variiert von ca. 20 bis 50 m und zwischendurch gibt es immer wieder kleine Buchten mit Kiesstränden, die sich zum  Anlanden kaum eignen. Zum einem, weil sie höchst wahrscheinlich bei hohem Wasserstand überflutet sind, oder zum anderem, weil eine heftige Brandung zu durchqueren wäre. Gelegentlich sehen wir auch Sandstrände. Aber auch hier gibt es eine hohe Brandung, die zu bewältigen wäre.    



Um die Beine zu vertreten, oder für ein Mittagspäuschen, bzw. abends, wenn wir den Paddeltag beenden wollen, müssen wir eine Möglichkeit finden, anzulanden. Wir nutzen kleine, vom Wind und der Brandung geschützte Buchten. Da die Küste kaum besiedelt ist, gibt es auch kaum Häfen. Nur zweimal können wir einen kleinen Fischerhafen anlaufen. Die anderen Male lässt es sich nicht vermeiden, durch eine hohe, mehrreihige Brandung an den Sandstrand zu paddeln.


Trotz der gebotenen Vorsicht ist das jedes Mal ein Wagnis. Als wir eine ca. 2 m hohe, mehrreihige Brandung an dem Sandstrand bei Aljezur durchqueren, beutelt es mich gleich zwei mal kurz hintereinander. Zum Glück kann ich jedes Mal wieder aufrollen...und gelange dann auch unversehrt ans sichere Ufer.


Bis zum Cabo de San Vicente wären es noch ca. 45 km zu paddeln. Dieser Abschnitt weist nur einige wenige Anlandungsmöglichkeiten und Bergungsmöglichkeiten für die Kajaks auf. Der Wind soll nun laut aktueller Wetterprognose von Nord auf West drehen, dann würde die Brandung noch heftiger werden. In Abwägung dieser Infos und der ebenfalls prognostizierten Zunahme des Windes, entscheiden wir uns, hier auszusetzen und an der Südküste weiter zu paddeln. Dort würde die Windrichtung dann wieder stimmen, d.h. wir hätten dort wieder Rückenwind.


Am übernächsten Tag setzen wir an der Südküste im Hafen von Sagres ein. Unser Plan ist, erstmals zum Cabo de San Vicente zu paddeln. Danach wollen wir umkehren und die Südküste mit dem inzwischen sich eingestellten Westwind Richtung Osten paddeln.


Schon gleich beim Verlassen des Hafens von Sagres stellen wir fest, dass die Südküste noch interessanter und weniger kräftezehrend ist als die Westküste. Zwar gibt es auch hier hohe Wellen, gerade im Bereich des Kaps. In Ufernähe gibt es aber nicht diese riesigen, sich überschlagenden Brecher, so dass wir recht nahe an der Steilküste entlang paddeln können. Die Steilküste im Bereich von Sagres besteht aus 30 bis 50 m hohen Kalkwänden, die wie eine unbezwingbare Festungsanlage aus dem Meer ragt. Helle Farben herrschen vor im Gegensatz zur Westküste. Überall gibt es höhlenartige Auswaschungen, in denen sich die Wellen mit lautem Getöse brechen. Vereinzelt sehen wir Blow Holes, wo die Wellen das verdrängte Wasser-Luft-Gemisch, meterhoch, laut fauchend und zischend, durch Löcher und Risse zerstäuben.


Je weiter wir Richtung Osten paddeln, desto mehr verändert sich die Küste. Die anfangs trutzigen Kalkformationen weichen einem Konglomerat aus Kalk- und Sedimentschichten, die durch die Erosion, verursacht vom Meer, vielfältig umgestaltet worden sind. Es ist wie ein steinerner Zaubergarten, bestehend aus phantasievoll geformten Felsformationen, dazwischen kleine, lauschige Buchten und versteckte Strände, Höhlen in allen Größen, steinerne Torbögen, wo man hindurch paddeln kann, etc.




Z.B. bei der Ponta da Piedade paddelt man durch einen dieser steinernen Torbögen und befindet sich unversehens in einem mit dem Meer verbundenen See, der mit einem Zirkus labyrinthartiger Felsformationen und Klippen umgeben ist. Das Wasser auf dem See ist ständig in Bewegung durch die von der Dünung hinein gedrücktem Wasser. Verirren kann man sich nicht, es gibt immer wieder andere Durchschlüpfe oder Durchfahrten, um wieder ins offene Wasser zu gelangen.


Zwischendurch gibt es auch eine Durststrecke mit endlosen Badestränden und dahinter liegenden Touristenorte mit großen Namen. Wir paddeln daran vorbei.


Der nächste anschließende Steilküstenabschnitt weist wieder eine große Vielfalt bizarrer Felsformationen auf mit Höhlen und steinernen Torbögen. Einige Höhlen sind gigantisch: groß wie Sporthallen. Bei anderen sind sogar die Decken eingebrochen, sodass die Höhlen effektvoll von ober belichtet werden. Ein Superlativ ist die Gruta de Benagil. Sie hat zwei Einfahrten, eine eingebrochene Decke und ist außergewöhnlich groß. Ein Naturphänomen, was touristisch kommerziell vermarktet wird. Der Besuch dieser Höhle, und übrigens auch von vielen anderen, wie z.B. bei der Ponta da Piedade, stehen im  Programm der Touristikanbieter. Bei diesen Hotspots geht es dann auch entsprechend laut und nicht zimperlich zu. Als Paddler stört man den kommerziellen Betrieb und wird mit dem Recht des Stärkeren in die zweite Reihe verwiesen. Wir besichtigen diese Orte, entweder in der Früh vor dem großen Ansturm der Massen oder danach, wenn alle zufrieden und glücklich diese Orte verlassen haben. Leider ist das ein kleiner Wermutstropfen, den man akzeptieren muss, wenn man an dieser Küste paddeln will. Dieses einzigartige Naturerlebnis muss man mit vielen anderen teilen, was ihm ein bisschen die Einzigartigkeit nimmt. Trotzdem: wir beenden glücklich und voller intensiver Eindrücke unsere Tour in Albufeira und lassen danach das viele Erlebte im Kopfkino weiterlaufen...



Weitere Fotos können in der Fotogalerie angesehen werden.


Alexander Jung











Fakten:


  • Gesamttourlänge:  ca. 200 km



Kajakverleiher in Sagres:


Sea Kayaking Sagres

R. do Pinhal s/n,

8650-374 Sagres

Portugal


info@seakayakingsagres.com



 


--> Übersichtskarte


Diesen Spätsommer wollen wir, d.h. mein Paddelfreund Klaus und ich, die Küste der Algarve (Portugal) mit dem Kajak umfahren. Über das Internet leihen wir uns in Sagres bei einem Kajakverleiher zwei Kajaks für 10 Tage aus. Unser Paddelequipement würden wir dann mit einem Logistikunternehmen vorausschicken, direkt an seine Adresse. Das würde uns ermöglichen, mit leichtem Gepäck nach Portugal zu fliegen und vor bzw. nach der Paddeltour, ein paar Tage für eine Küstenwanderung anzuhängen.


In Sagres angekommen besorgen wir uns daraufhin Proviant für mehrere Tage und packen die Boote erstmals probehalber. Am nächsten Tag soll es gleich losgehen. Der Wetterbericht weist optimale Bedingungen für beide Küstenabschnitte aus und das wollen wir keinesfalls verstreichen lassen. Wir entscheiden uns, an der ausgesetzteren Westküste anzufangen und Richtung Süden zu paddeln.


Für die nächsten Tagen haben wir Nordwind BF 4 bis 5 und Wellenhöhen von ca. 2 bis 2,5 m bei 10 bis 12 sec. Laufzeit. Die Temperaturen sind Tag und Nacht moderat im Bereich von 20° C.


Amandio, so heißt unser Kajakverleiher, organisiert für uns den Transport zur Einsatzstelle und falls wir, aus welchen Gründen auch immer, aussetzen wollen, so wird er auch das Abholen organisieren.