Paddeltour Anglesey

Umrundung von Anglesey und  Lleyn Peninsula

26.6. bis 12.7.2013

Fotos: Alexander Jung und Klaus Zobel


Ein ganz besonderes Abenteuer verspricht eine Paddeltour um Anglesey herum. Das hat sich in der Paddlerszene herumgesprochen und es lässt sich auch in der einschlägigen Literatur nachlesen: Es zirkulieren die abenteuerlichsten Geschichten über meterhohe Overfalls an den Küsten einhergehend mit gewaltigen Gezeitenströmen und in der Menai Strait wildwasserähnliche Zustände während der Flut. Also etwas für Experten.


Das haben Klaus, mein Paddelfreund, und ich als Herausforderung genommen, um in dieser Gegend eine Paddeltour durchzuführen. Zuvor haben wir über diese Gegend in der Winterszeit Informationen zusammengestellt hinsichtlich der Durchführung der Paddeltour. Das Internet bot dazu eine Fülle von Informationen an. Auf Grundlage dieser Informationen haben wir darauf im Sommer die Paddeltour durchgeführt. Die Zielvorstellung war mindestens Anglesey zu umrunden und wenn danach noch Zeit sein sollte, eine weitere Tour um die Lleyn Peninsula anzuschließen


Wir haben unsere Seekayaks auf das Auto gepackt und sind dann von Berlin über Dunkerque mit der Fähre nach Dover und von dort aus weiter nach Anglesey gefahren.


Auf Grund der im Juli / August vorherrschenden Winde aus West und Südwest entschieden wir uns vor Ort Anglesey im Uhrzeigersinn zu umrunden.


In Caernarfon setzten wir bei regnerischem Wetter mit dem abfließenden Wasser ein, um bei Fort Belan in das offene Meer zu gelangen. Das Wetter zeigte sich nicht von seiner besten Seite: Es herrschte ein großes Tiefdruckgebiet über der Irischen See, die Wolken hingen tief und es regnete immer mal wieder, die Temperaturen waren empfunden niedrig. Es war nass und kalt. Das Meer war entsprechend aufgewühlt. Der Wind war zum Glück erstmals nicht hinderlich, sodass ein gutes Vorwärtskommen möglich war.  Zuvor hatten wir uns einen Plan B zurecht gelegt, falls das Wetter sich verschlechtern sollte und wir unser Tagesziel nicht erreichen könnten. Wir erreichten unser Tagesziel wie geplant und das miese Wetter hatte auch keinen Einfluss auf unsere Stimmung. Ganz im Gegenteil. Irgendwie haben wir uns das auch nicht anders vorgestellt, schließlich paddeln wir in England und nicht in der Karibik!


Die Küste Anglesey ´s besteht hauptsächlich aus schroffer 20 bis 60m hoher felsiger Steilküste, die aber in relativ regelmäßigen Abständen kleinere Buchten aufweist, sog. Bay´s oder Porth´s, die sich zum Anlanden bzw. zum Campieren eignen.



Auch am nächsten und den folgenden Tagen setzte sich das schlechte Wetter fort. Der Radiowetterbericht kündigte die ganze Woche „moderate weather“ an mit Windstärken BF 4 bis 6 und wie vorhersehbar aus West oder Südwest. Anfangs waren wir in Küstennähe relativ gut vom Wind geschützt, sodass wir wenig beeinträchtigt waren.


Die Küstenkulisse inszenierte sich mit gewaltigen dunklen schroffen Felsformationen, die gelegentlich von grün bewachsenen Häuptern auf uns runter blickten. Eine Ehrfurcht einflößende und dramatische Landschaft die jegliche Lieblichkeit entbehrte. Die tief hängenden Wolken und der Wind flößten dem Ganzen noch den erforderlichen Respekt ein. Trotz alledem war die Küste reizvoll in ihrer Einzigartigkeit.


Es folgten dann auf kleinem Raum gleich drei Highlights hintereinander: Die Umpaddlung von South Stack, North Stack und Carmel Head. Das sind die Schlüsselstellen, die auch schon bei guten Bedingungen einiges abfordern. Hier hatten wir große Bereiche mit kabbeliger See, mit nicht aufhörenden Klapotissen, Strömungen teilweise wie im Wildwasser und mächtige Overfalls (stehende Wellen) zu bewältigen.


Die ideale Befahrung dieser Stellen im Moment des Tidenausgleiches ist zwar theoretisch möglich, praktisch aber schwer umsetzbar, will man das Ganze in einen Gesamttagesplan einbinden mit Berücksichtigung der atmosphärischen und meteorologischen Einflüsse, des Tageslichtes, der Kraftreserven, der Unterzuckerung, des erholsamen Schlafes, etc.


Nach Carmel Head hatten wir Wind i.A. im Rücken und später an einigen Stellen kriegten wir ihn empfindlich von der Seite als ablandigen Wind zu spüren, was gelegentlich grenzwertig war. Ganz übel ist mir die Querung der Cemlyn Bay und des anschließenden Porth-y-pistyll in Erinnerung geblieben..

Nach der Einfahrt in den Trichter der Menai Strait, d.h. nach Puffin Island bekamen wir den Wind von vorne mit aller Wucht zu spüren.  Auf der Stelle zu paddeln und nicht abgetrieben zu werden war ein unnützer Kraftakt. Wir kämpften uns weiter bis zur nächsten Möglichkeit an Land zu gehen,  um das Ganze abzuwettern. Der nächste Morgen bescherte uns bessere Bedingungen und wir konnten in einem Rutsch die Swellies bei idealen Bedingungen durchfahren und die Umrundung Anglesey´s nach 7 Paddeltagen in Caernarfon glücklich bei einem dünnen „Wales Beer“ zelebrieren.


Nach einem Ruhetag mit Sightseeing in Caernarfon brachen wir wie vorgesehen auf in  südlicher Richtung nach der Lleyn Peninsula.  Die Schlüsselstelle für die Umpaddelung der Lleyn Peninsula ist der Bardsey Sound. Bevor wir die zweite Tour in Angriff nahmen, beschlossen wir eine Tageswanderung im äußersten Zipfel der Lleyn Peninsula  durchzuführen um erstmals die Gegend aus der Vogelperspektive vom Land aus kennenzulernen.


Ab diesen Tag änderte sich das Wetter und zeigte sich fortan von seiner schönsten Seite. Das Tiefdruckgebiet über der irischen See wurde abgelöst von einem kräftigen Hochdruckgebiet. Es blieb für die nachfolgenden Tage sonnig und der Wind flaute ab.


Die Umrundung der Lleyn Peninsula übertraf unsere Erwartungen. Die Küstenlandschaft ist abwechslungsreich in den unterschiedlichen Abschnitten und weist seitens der Tierwelt einige Überraschungen auf.


Wir nahmen uns vor von Pwllheli an der Süd Küste nach Trefor an der Nordwest Küste zu paddeln. Beim Durchpaddeln des Bardsey Sound´s waren extreme Gezeitenströme zu erwarten. Als wir versuchten das Kap zu umrunden bauten sich dort wegen des abwesenden Windes keine all zu großen Wellen auf. Trotzdem war die ufernahe Strömung noch extrem stark. Wir warteten ca. eine halbe Stunde in einem Kehrwasser bis sich der Ausgleich eingestellt hatte, um dann mit der aufkommenden Flut weiter nach Norden weiter zu paddeln, d.h. mit Rückenantrieb.


In den folgenden beiden Tagen erlebten wir eine Tierwelt wie wir sie nie erwartet hätten. Von unserem Camp sahen wir einmal eine Herde von ca. 50 Delphinen, die längere Zeit vor unserer Nase herumspielten. Ansonsten sahen wir jede Menge unterschiedlichster Seevögel, die auf den Klippen in großen Gemeinschaften sich zusammendrängten und in luftigen Höhen ein lautes Gezeter veranstalteten.  Das faszinierende war, dass sie scheinbar total chaotisch durcheinander flogen ohne Kollisionen zu verursachen! Und last but not least sahen wir viele Grüppchen von Kegelrobben, aber auch immer wieder Einzelgänger, die uns neugierig aber argwöhnisch mit ihren Kulleraugen beguckten. In dem Abschnitt der Nordwest Küste gab es viele Höhlen und Auswaschungen in den Felsen. In Erinnerung ist mir besonders der Schreck geblieben, als wir in einer dieser Höhlen hineingepaddelt sind und in dem Zwielicht nicht den Besitzer, eine Kegelrobbe, erkannt haben, die ihrerseits genau so von uns erschreckt war und mit lautem Getöse fluchtartig unter uns weg ins Freie abtauchte.


Nach 4 ereignisvollen Tagen beenden wir in Trefor unsere 2. Tour. Die Rückholung des Autos erfolgte umhegend mit einem öffentlichen Autobus. Auch diese Tour konnten wir ohne nennenswerte Zwischenfälle beenden, ich würde ihr sogar das Prädikat „Genusstour“ verleihen.



Abschließend möchte ich mich noch bei den freundlichen Menschen bedanken, die wir an den Stränden, manchmal an den einsamsten, getroffen haben, die beim Aussetzen sich anboten anzupacken, um unsere schweren Kajaks an Land zu tragen.


Im Übrigen ist die Höflichkeit der Engländer bemerkenswert und vorbildhaft. Es hat mich derart beeindruckt, dass ich mir vorgenommen habe es ihnen gleich zu tun.


Apropos Höflichkeit: Davon ist die Grenzkontrolle ausgeschlossen!


Zu allerletzt blieb uns noch ein Tag übrig, den wir nutzten nochmals nach Anglesey  zu fahren, um wie zuvor eine Tageswanderung, nun bei schönstem Wetter, im Küstenbereich von Carmel Head  zu unternehmen. Dies war auch gleichzeitig Abschied nehmen von einem großartigen Paddelgebiet und sich innerlich wieder auf die Heimfahrt einzustellen.


Weitere Fotos können in der Fotogalerie angesehen werden.


Alexander Jung



Fakten:


  • Die Gesamtstrecke betrug ca. 240 km. Im Mittel betrugen die Tagesetappen ca. 22 km. Die längste Tagesetappe betrug 36km.


  •  Literatur: Empfehlenswert ist eine Veröffentlichung für Segler, die aber für Paddler ausreichend Informationen zu Anglesey und Lleyn Peninsula enthält. So sind Strömungskarten und die zeitlichen Verortungen für die unterschiedlichen Küstenregionen enthalten. Titel: Cruising Anglesey & adjoining waters. Autor: Ralph Morris veröffentlicht bei Imray, 7th Edition.


  • Landkarten: Wir benutzten sehr detaillierte Landkarten M 1: 50 000 von Landranger Map die Nrn. 114 und 123.


  • Tiedenkalender lassen sich im Internet für 1 bzw. 4 Wochen im voraus ausdrucken. Allerdings sind atmosphärische und meteorologische Einflüsse nicht eingearbeitet. Tidal predictions for UK & Irish ports


  • Seekarten: Für die Durchführung nicht unbedingt nötig aber nützlich für die Vorbereitung. Admirality Leisure: SC 5609 Norh West Wales, 2nd Edition.



  • Windkarten und Statistiken: Windguru, Windvorhersagekarte für England.


  • Verpflegung mit Frischwasser und Lebensmittel ist alle paar Tage möglich. Es gibt zahlreiche kleine Häfen.