von Brest nach St-Brieuc

19.8. bis 4.9.2011


Fotos: Alexander Jung und Klaus Zobel


Absicht war ein Paddelgebiet zu erkunden welches gleichermaßen paddeltechnisch als auch von der Navigation anspruchsvoll sein sollte.


Die Wahl viel auf die bretonische Küste, die sich vor allem durch die extrem hohen Gezeitenunterschiede des Meeresspiegels auszeichnet und eine interessante Küstenlandschaft aus Granitfelsen im Wechsel mit schönen weißen Sandstränden aufweist. Allerdings befindet sich das Paddelgebiet in einer Kulturlandschaft mit starken Zersiedelungserscheinungen.


Ich nahm über das Netzwerk der SaU (Salzwasserunion) Kontakt zu französischen Seekajakpaddlern auf. Zum einen weil es vorteilhaft sein könnte einen ortskundigen Paddler dabei zu haben und zum anderen ließe sich das logistische Problem einfacher lösen, da wir, d.h. mein Paddelfreud Klaus und ich, nur mit einem Auto anreisen wollten. Das Umsetzen des Autos hätte sonst umständlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgen müssen, was mit erheblichen Zeitverlusten einherginge. Wir veranschlagten für die ganze Tour 2 Wochen im Spätsommer. Es meldete sich dann auch ziemlich bald ein französischer Kajaker Namens Alain, der mit uns zusammen die Tour machen wollte.


Alain versorgte uns per Internet mit den erforderlichen aktuellen Daten und Informationen über die Gezeiten und Strömungen in dem anvisierten Paddelgebiet. So hatte ich die Gelegenheit mich mit den Besonderheiten der französischen Darstellung mittels Koeffizienten(von 20% bis 120%) vertraut zu machen.


Paddeltour Bretagne

Im Gegensatz zu den deutschen Tiedentabellen weisen die französischen eine differenziertere Darstellung auf, um den extremen  Gezeitenunterschieden von teilweise über 10 m gerecht zu werden. Im Vergleich dazu weist die Nordsee Gezeitenunterschiede von 2 bis 3 m auf.


Anfangen wollten wir in Le Conquet, in der Nähe von Brest. Der Wetterbericht kündigte für die nächsten Tage schlechtes Wetter mit viel Wind an.


An der Einsatzstelle treffen wir wie abgemacht Alain. Er bringt einen weiteren Paddler mit: Yves. Unsere Überfahrt zur Ile de Molène mussten wir auf Anraten unserer beiden französischen Paddler sein lassen. Wegen des zu erwartenden schlechten Wetters hätten wir auf der Insel festsitzen können und aus terminlichen Gründen wäre das für Alain nicht gegangen. Also entschieden wir uns gemeinsam küstennah Richtung Norden zu paddeln, um gegebenenfalls bei Notwendigkeit an Land gehen zu können.


Die Bedingungen waren Anfangs sehr günstig, um mit den ungewohnt hohen Gezeitendifferenzen des Meeresspiegels erstmals vertraut zu werden. Die französischen nautischen Tabellen wiesen in den ersten Tagen einen kleinen Koeffizienten von ca. 30 bis 35 % auf, d.h. Sonne und Mond standen im Rechten Winkel zueinander (Nipptiede). Das Wetter blieb durchwachsen: kein Tag ohne Regenschauer, teilweise behinderten uns örtlich auftauchende Seenebel, es gab aber auch immer wieder kurze Momente mit kurzen Aufklarungen, die Winde hielten sich in den Grenzen (unter BF4) wo Paddeln zwar manchmal schon erschwehrlich aber noch möglich ist; die Wechselhaftigkeit des Wetters blieb für die ersten 1½ Wochen eine fester Begleiter. Die vom Wetterbericht gebetsmühlenartig angekündigten Stürme blieben zum Glück aus. In der letzten halben Woche herrschte sogar schönes sommerliches Wetter ohne Regenschauer und wenig Wind. Die Wassertemperaturen betrugen ca. 18ºC und erschienen uns angenehm warm.


In den ersten Tagen konnten wir aufgrund des kleinen Koeffizienten auch gegen die Strömungen paddeln. Die maximalen Strömungs-geschwindigkeiten waren in Küstennähe i.A. kleiner als ½ Knoten, also fast vernachlässigbar. Mittags nutzen wir die Zeit für eine Pause, um dann zu einem günstigen Zeitpunkt weiter zu paddeln, wenn möglich mit der Strömung. In der Regel standen wir mit Sonnen-aufgang auf und paddelten bis in den frühen Abend hinein, um dann irgendwo zu biwakieren. So war es möglich - in einem Zeitfenster von mehr als 6 Stunden - unabhängig von den Tiedenströmungen Strecke zu machen, da sich die Einflüsse aus Flut und Ebbe mehr oder weniger ausglichen.


Zum Monatsende erhöhte sich der Koeffizient auf über 110%, d.h. Sonne und Mond standen in einer Achse zueinander (Springflut). Wir konnten deshalb nicht wie bisher ins Kajak steigen und lospaddeln, sondern mussten vorher an Hand der Strömungskarten und den Tiedentabellen das richtige Zeitfenster und die richtige Richtung wählen. Die dann herrschenden Gezeitenströme betrugen bis zu 2 Knoten, und an einigen Stellen wie z.B. zwischen Inseln erheblich mehr.

Aus dem Grunde empfahlen uns Alain und Yves, die aus diversen Gründen nicht die ganze Zeit mit uns paddeln konnten, auszusetzen und weiter westlich von einer günstiger gelegenen Einsatzstelle die Tour fortzusetzen, jeweils in Richtung des abfließenden Wassers, d.h. Richtung Westen bzw. des aufsteigendem Wasser in Richtung Osten zu paddeln. Das hat ganz wunderbar funktioniert, auch wenn der Wind sich nicht ganz an diese Vorgaben ausrichten wollte.


Alain und Yves sei an dieser Stelle nochmals gedankt für ihre umsichtige Art mit den „Elementen“ umzugehen. Insbesondere aber auch dafür, dass sie uns die besondere Schönheit dieser einzigartigen Küstenlandschaft ihres Paddelrevieres vorgeführt haben. Nicht zuletzt hätten wir nicht ohne sie die wenigen möglichen Biwakplätzchen finden können.


Weitere Fotos können in der Fotogalerie angesehen werden.


Alexander Jung






Praktische Tipps:


  • Die Gesamtstrecke betrug ca. 330 km. Im Mittel betrugen die Tagesetappen ca. 30 km. Die längste Tagesetappe betrug 45 km.


  • Nautische Karten (Kartensatz 1:50000,  7149, 7150 u. 7151) und Strömungskarten (Kartensatz 560, 563) können über die Institution SHOM erworben werden. Sie können aber auch vor Ort (z.B. Tregier) über eine Coop Maritime o.ä. erworben werden.


  • VHF-Radio Wetterbericht auf Kanal 79 in französischer Sprache zu den Zeiten 7:33, 16:03, 19:33. Bis 5 W Sendeleistung ist für diese Geräte in Frankreich keine Berechtigung erforderlich.



Verpflegung mit Frischwasser und Lebensmittel ist alle paar Tage möglich. Es gibt zahlreiche kleine Häfen.


Dieselbe Stelle bei Flut….

….und Ebbe