Trekkingtour: „El Circuito“
vom 3.3. bis 10.3.2008
Unser Vorhaben war, im Rahmen unserer Patagonienradtour in eine 8 tägige Wanderung auf dem „Circuito“ und zwei Abstecher in das Innere vorzunehmen. Wir ließen unsere Räder und für die Wanderung nicht gebrauchtes Gepäck bei dem Campamento zurück, schulterten unsere schwerbepackten Rucksäcke und liefen los. Wir hatten Nahrungsmittel für die gesamte Tour dabei, es gab wenig bei den Guardaparques nachzukaufen. Wasser gab es überall und brauchte nicht mitgeschleppt werden.
Der Wanderweg war gut trassiert, einfach zu laufen und gut ausgeschildert. Nicht zuletzt sagt man den Chilenen nach, sie seien die Deutschen Südamerikas. Gezeltet durfte nur auf dafür vorgesehenen Plätzen, Lagerfeuer durfte nicht gemacht werden. In der Regel war die Ausstattung einfach: es gab Windschutz durch Bäume, ein Plumpsklo und Trinkwasser. Der Wanderweg führte um das Massiv herum, anfangs relativ flach aus der Ebene (250 m ü. M.) heraus um dann stetig ansteigend bis zum höchsten Punkt der Wanderung, dem Pass John Gardener (1100 m. ü. M.). Da wir so schwer bepackt waren liefen wir langsam und ließen uns von der Dramaturgie des Weges einfangen: Am Anfang durchwanderten wir steppenartiges Weideland mit weitem Blick in ein breites flaches Tal, das von einem breiten Fluss durchflossen ist. Hier weiden wild lebende Guarnacos, einem Verwandten des Lamas, in kleinen Herden. Es ging an großen Seen vorbei, langsam öffnete sich der Blick auf die gewaltigen Anden. Gletscherzungen enden in einem dieser Seen. Die Karte wies eine Höhe von ca. 450 m ü. M. auf. Es ist deutlich kühler geworden. Noch liefen wir gelegentlich im Schutz des Waldes, der aber immer wieder Blicke in diese herrliche Landschaft freigab.
Am 4. Tag überschritten wir den Pass. Das Gepäck war spürbar weniger geworden, das Laufen ging immer leichter. Auf der Passhöhe hatte man den Eindruck weit über schon längere Zeit über der Baumgrenze wanderten und zum anderem, weil die Temperaturen extrem gefallen waren und der Wind uns mit aller Kraft über den Sattel schob. In der Gegenrichtung zu laufen, hätte man hier oben ein Problem gehabt. Das Besondere Schauspiel konnte erst nach Überschreitung des langgezogenen Sattels und nach einigen Höhenmetern Abstieg bewundert werden: Unvermittelt breitete sich ca. 500 m tiefer unter einem ein mehrerer Kilometer breiter Gletscher vor den Füßen aus, dessen Anfang sich in weiter Ferne in den Andengipfeln verliert und dessen Ende noch tiefer unten in einem großen See verschwindet. So ein langes und breites Eisband hatte ich zuvor nie gesehen. Wie ein gewaltiges Förderband transportiert der Gletscher Eis und Schutt in unvorstellbaren Mengen von oben nach unten und baut die Berge ab. Die Sinnfrage stellte ich mir nicht. Glaciar Grey und Lago Grey entnahm ich der Karte. Der anschließende Abstieg zum Gletscher war steil aber gut gesichert.
Der Weg führte 1,5 Tage in unmittelbare Nähe und parallel zum Gletscher zum schiefergrauen Lago (250 m. ü. M.), wo man drei Gletscherzungen ausmachen und deren Seracs aus nächster Nähe bestaunen konnte. Auf Seehöhe wurde der Wanderweg wieder ebener und verlief im auf und ab durch offene Regenwälder, an anderen Seen vorbei und bot immer wieder Augenfutter in reicher Fülle an.
Beim Abstecher in das Valle Francés regnete es zum ersten Mal auf unserer Tour. Ich stieg alleine hoch, mein Gepäck ließ ich im Campamento stehen. Je höher ich kam, desto mehr nahm der Regen zu. Irgendwann war dann die Sicht gleich Null und Schneetreiben setzte ein. Na endlich das berüchtigte patagonische Wetter und ich mitten drin! So ein Mist, ohne Sicht gibt das alles keinen richtigen Sinn! Beim Abstieg begegnete ich jemanden, der sich schon einige Zeit in Patagonien herumtrieb. Er ließ sich vom Wetter nicht beirren und stieg unbekümmert weiter, um sich dann im Schneetreiben aufzulösen.
Kaum war ich wieder unten beim Campamento angelangt, riss der Himmel auf und die Sonne beherrschte erneut den Spätsommertag. Na so ein Pech! Aber immerhin beim Abschied vom Valle Francés konnte man die beiden berühmten Cuernos, die wie zwei Eingangspfeiler vor dem Taleingang in den Himmel emporragen, bestaunen. Die Natur ist ein großer Künstler! Mehr Glück hatten wir beim nächsten Abstecher zu den Torres del Paine, die dem Park ihren Namen gegeben haben.
Das Wetter blieb stabil,der Aufstieg war am Ende steil und verlief über ein großes Geröllfeld. Oben angekommen wurde man vom Wind, tiefen Temperaturen und einem Wahnsinnspanorama empfangen: Die Torres stehen unbeweglich wie Riesen in einem Halbkreis. Sie schauen düster drein, ihre Häupter verlieren sich in den Wolken, sie sind grau und steinalt. Zu ihren Füßen liegt ein dunkler Karsee, ebenfalls grau. Dazwischen flogen keine Fledermäuse, aber Kondore segelten majestätisch und würdevoll vor dem Wind. Ein unheimlich schöner Ort.
Das Massiv ist ähnlich wie das von Torres del Paine nicht Bestandteil der Anden, sondern ihm vorgelagert und hat auch geologisch eine vergleichbare Geschichte. Nur die Höhendifferenzen zwischen dem Sockel und den Turmspitzen sind noch mächtiger.
Der Fitz Roy ragt fast senkrecht mit seinen glatten und weiter oben vereisten Wänden ca. 3000 m aus der Ebene heraus. Auch hier sind nach Abtragungen der Sedimente deren kristalline Schlünde stehengeblieben, die wie riesige Türme aus dem Gebirgskomplex herausragen, sehr zur Freude einer globalisierten Kletterelite. Wahrscheinlich ist das einer der letzten großen Spielplätze einiger ganz weniger Auserwählten. Sie stellen alleine schon wegen ihrer Randlage im Süden des Kontinents, ihrer aufwändigen Logistik sie zu erreichen, dem stündlich sich wechselnden Wetter und nicht zuletzt dem omnipräsenten Wind, der jederzeit in Orkanstärke daherfegen kann, eine der letzten großen Herausforderungen auf diesem Planeten dar.
Wir schauten uns respektvoll diese Szene an. Nein, wir hatten nicht so Großes vor. Wir begnügten uns mit einer 4 tägigen Wanderung in dem Nationalpark zu dessen Heiligtümern: Cerro Fitz Roy und seine Freunde Cerro Torre, Cerro Poincenot, Cerro Saint Exupery, Cerro Egger... Der National Park wies eine gut Infrastruktur auf für den Wandertourismus, ähnlich wie wir es auch in Chile vorgefunden hatten. Wir befanden uns inzwischen im Spätherbst. Die Tage wurden kühler und die Nächte waren kalt. Das Wetter blieb recht stabil. Entgegen allen Prophezeiungen waren sogar die obersten Etagen wolkenfrei. Was für eine Wucht!
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Alexander Jung
Trekkingtour: Fitz Roy
vom 18.3. bis 21.3.2008