von San Liuis in Nordargentinien nach San Pedro de Atacama in Nordchile
und zurück über den Salar de Uyuni Südboliviens
1.1 bis 31.3.2010
Es fing vollkommen chaotisch an. Am Abflugtag gab es über Nacht den ersten heftigen Schneefall. Das vorbestellte Lastentaxi erschien nicht. Der Flieger hob zum Glück verspätet ab, aber rechtzeitig, um nicht noch weitere Transportgebühren für unser Gepäck zahlen zu müssen. In Buenos Aires fehlten die ersten Tage unser Gepäck und die in Kartons verpackten Fahrräder. Für die Weiterfahrt nach San Luis mit dem Linienbus versuchten korrupte Busfahrer Sabine und mir für die Fahrradmitnahme pro Rad 100 US$ abzunehmen. Normalerweise ist die Mitnahme von Fahrrädern im Bus kostenfrei und wird nachträglich mit einem Trinkgeld belohnt.
San Luis (700 müM) liegt am Rande der Anden ca. 800 km westlich von Buenos Aires. Ab hier begannen wir planmäßig unsere Radtour durch Nordargentinien. Wir durchfuhren die Steppen und Wüsten Richtung Norden, an einigen Nationalparks vorbei, immer parallel zu den Anden und überquerten unterhalb Boliviens die Anden über den Paso Jama nach Chile zur Atacama Wüste. Von dort planten wir nach Antofagasta an der Pazifikküste und weiter nach Süden zu fahren, soweit wie es die restliche Zeit erlauben würde. Für die ganze Tour hatten wir drei Monate und ca. 3500 km veranschlagt.
Ab San Luis verlief unsere Tour in geordneten Bahnen, da nun die Regie in unserer Hand lag. Allerdings machten uns die hohen Temperaturen zu schaffen. In diesem Teil von Argentinien herrschen im Sommer normalerweise Temperaturen zwischen 30° und 35° C. Dieser Sommer schien außerordentlich heiß zu werden: Es herrschten Temperaturen zwischen 35° bis 40° vor, und an einigen Tagen ging das Thermometer sogar bis 42° C im Schatten hoch, sofern einer vorhanden war!
Wir mussten uns diesen Verhältnissen anpassen. Um vier Uhr morgens standen wir auf und fuhren die ersten 1½ Stunden bei Dunkelheit mit eingeschalteten Fahrrad- und Stirnlampen. Spätestens in der großen Mittagshitze mussten wir aufhören. Wir kamen im Schildkrötentempo vorwärts. Die Hitze war lähmend. Im Gegensatz zu den Patagonischen Kaltsteppen durchfuhren wir gleich nach San Luis die Heißsteppen, mit wenig Vegetation: Einige Kakteen und anderen Dornen bewehrten Sträuchern. Gelegentlich krächzten laut kleine Papageien in Schwärmen, ab und zu begegneten wir einem Graufuchs.
Ein Abend wurde mit fantastischen Wolkenbildern und Wetterleuchten belohnt. Das Unwetter entlud sich in sicherer Entfernung, wir waren zum Glück nur Zuschauer in der ersten Reihe.
Im Nationalpark Las Quijadas bewunderten wir imposante geologische Felsformationen bei 35° - 40°C. Glücklicherweise gab es im Park einen Wasserhahn! Luxus pur!
Wasser und Verpflegung gab es ansonsten nur in Ortschaften zu kaufen. Wir mussten i.d.R. für zwei bis drei Tage alles dabei haben.
In San Juan hatten wir einige Schäden an den Fahrrädern zu beheben. Alles kein Problem für Tio Chicho (Onkel Chicho). Er erwies sich als kreativer und kompetenter Mechaniker.
Seine Adresse:
Bicicleteria Tio Chicho , San Juan, Av. Rioja Esq. Moreno.
oscaramirez32@hotmail.com.
In Vallecito besuchten wir das Heiligtum der Difunta Correa.
Der Legende nach soll die Correa beim Durchqueren der Heißsteppe verdurstet sein. Nach vier Tagen wurde sie gefunden. Ihr Baby überlebte, weil es sich an der Brust weiter nähren konnte. Das Überleben des Babys wird als Wunder angesehen. Die Bevölkerung hat längs den Straßen immer wieder Gedenkstellen eingerichtet und hinterlegt dort Wasserflaschen.
Danach löste sich der ganze Zauber der Wasserflaschendepots leider zu unseren Ungunsten auf.
Wir folgten der wenig befahrenen Straße am Valle Fértlil vorbei und durchquerten endlose, trockene Hochebenen. Alles schien eben zu sein. Doch die optische Wahrnehmung war trügerisch. In den Pedalen merkte wir dagegen deutlich, ob es bergauf oder bergab ging.
Weitere Sehenswürdigkeiten waren die beiden von dieser Straße erreichbaren Nationalparks Ischigualasto und Talampaya. In den Parks durften wir an vorgesehenen Plätzen zelten. Es gab Wasser und sogar Duschen. Die beiden Nationalparks sind wüstenähnlich.
Als wir sie besuchten herrschten extrem hohe Temperaturen. Auch hier warteten wunderbare fantastische geologische Felsformationen mit vorherrschenden weißen und roten Farben auf. In diesen Wüsten wurden die bisher ältesten Saurierskelette gefunden. In Urzeiten waren es die Lebensräume dieser Urtiere, was wir uns angesichts dieser gewaltigen Ur-Landschaft sehr plastisch vorstellen konnten.
Wir setzten unsere Tour Richtung Norden über die Transamericana (Ruta 40) fort. Inzwischen ist die Straße in großen Teilen asphaltiert, immer wieder gab es Abschnitte mit Ripio (unbefestigte Abschnitte). I.d.R. waren es die gebirgigen Abschnitte, die für uns mit der Cuesta Miranda und einer Passhöhe von 2040 müM anfingen.
In Belén besichtigten wir die südlichste aller Inkastädte: die Ruinen von Shincal. Weiter im Norden folgte Quilmes, ebenfalls eine Inkasiedlung beträchtlichen Ausmaßes. Beiden gemeinsam ist ihr Bauplan: Sie liegen ganz beeindruckend in der natürlichen Landschaft eingebettet zwischen kleinen Hügeln, sind vollkommen symmetrisch aufgebaut und offen zur Ebene. Der Besuch dieser Orte löste tiefe Ehrfurcht aus.
Die Landschaft wurde abwechslungsreicher: Ebene Abschnitte wechselten mit gebirgigen. In Cafayate (1660 müM) machte ich eine Tagestour ohne Gepäck in die Quebrada de Cafayate. Eine Quebrada ist eine Schlucht oder ein breites Tal. Diese Quebrada gehörte zu den eindrücklichen Erlebnissen dieser Tour. Zum einen wegen ihrer roten Felsfomationen, die mit dem gelegentlichem Grün der Vegetation kontrastierten und zum anderen wegen der unbeschreiblichen Hitze, die an diesem Tag in der Schlucht herrschte.
Ab Cafayate folgten wir weiter der Ruta 40 durch das Valle Calchaqui. Dieser Abschnitt gehörte ebenfalls zu den eindrücklichsten Momente unserer Tour. Die Landschaft wurde hügelig. Die Piste ist teilweise sehr kurvenreich und war durch Regenfälle fast unpassierbar geworden. Es waren häufig kurze aber sehr steile Abschnitte mit bis zu 10% Steigung zu überwinden. In der Nähe von Angastaco fuhren wir durch die Quebrada de Flecha. Dort ragen die Felsformationen wie Pfeilspitzen aus dem Untergrund und bilden eine ganz bizzare Landschaft mit den schneebedeckten Anden im Hintergrund. Leider war es auch hier extrem heiß. Kurz nach Molinos war ein weiterer Pass mit 2400 müM zu überwinden. Nach Cachi (2210 müM) ging es durch den Nationalpark Cardones (Cardones Kakteen) über einen Pass mit 3348 müM die Cuesta de Obispo hinunter: 2200 Höhenmeter mit vielen Serpentinen auf Ripio in einem Rutsch!
Trotz dieser Erschwernisse war dieser Abschnitt bis zur Asphaltstrasse bei Chicoana bis zu diesem Zeitpunkt der aller interessanteste und abwechslungsreichste.
In Salta (1180 müM) angekommen mussten wir ein paar Ruhetage einlegen. Seit einer Woche plagte mich Durchfall. Sabine plagte sich ebenfalls seit einer Woche mit einer heftigen Virusinfektion herum. Sabine sollte sich nach ärztlichem Rat keinem „Stress“ aussetzen, um den Heilungsprozess nicht zu beeinträchtigen, d.h. die Pralinenstücke der Andenüberquerung würde sie nicht fahren können.
Von Salta nach Jujuy fuhren wir über die Ruta 9. Diese Straße führt über einen kleinen Pass, ist sehr schmal, kurvenreich und er darf nicht von größeren Fahrzeugen befahren werden. Eine ideale Fahrradstrecke. Hier herrscht ein subtropisches Mikroklima welches sich durch hohe Luftfeuchtigkeit und häufige Niederschläge aus-zeichnet. In der Tat, alles war grün überwuchert und teilweise erinnerten Abschnitte sogar an den Schwarzwald, der grünen Wälder und Wiesen und der Kühe wegen. Als wir sie befuhren nieselte es den ganzen Tag. Ein herrliches Gefühl nach so langer Zeit in der wir unausweichlich der Hitze ausgesetzt waren.
Ab Jujuy (1240 müM) befuhren wir die Quebrada de Humahuaca. Wieder ein Tal mit bunten geologischen Steinformationen. Als Höhepunkt dieser Naturinszenierung wird Purmamarca angepriesen. Es gehört inzwischen zum Weltkulturerbe der Menschheit.
Ab Purmamarca (2190 müM) zweigt die Straße ab und führt über die Cuesta de Lipan über den Paso Jama nach Chile. Im Ort bereiteten wir uns für den Aufstieg auf das Altiplano (Hochebene) vor. Sabine incl. Fahrrad konnte mit dem Colectivo (Lokalbus) bis nach Susques (3670 müM) fahren. Am darauf folgenden Tag fuhr ich die Passstraße hoch. Es waren ca. 2000 Höhenmeter zu überwinden.
Um eine Höhenkrankheit durch einen zu schnellen Aufstieg zu vermeiden, wird aus höhenmedizinischer Sicht eine Höhenanpassung ab 2500 müM empfohlen. Der Aufstieg soll max. 300 – 600 Höhenmeter pro Tag nicht überschreiten. Nach erfolgtem Aufstieg mit dem Fahrrad sollen weitere 100 – 200 Höhenmeter Aufstieg langsam zu Fuß erfolgen. Danach soll man diesen Betrag wieder bis auf Schlafhöhe hinunter steigen.
Unter Einhaltung dieser Regel brauchte ich drei Tage (800m / 600m / 600m), bzw. zwei Übernachtungen um die Passhöhe von 4170 müM zu erreichen, bzw. verbrachte ich die 3. Nacht auf den Salinas Grandes auf 3670 müM. Wichtig dabei ist, dass während des Aufstieges der Puls 140 Schläge/ Minute nicht überschreitet. Mit Hilfe eines über den Fahrradcomputer angeschlossenen Höhen-, Herzfrequenz- (Brustgurt) und Trittfrequenzmessers konnte ich die Höhenetappen und den Puls innerhalb dieser Grenze steuern (iM 123 Schläge/ Minute). Ohne eine Höhenanpassung hätte ich mir diesen Höhenausflug nicht erlauben können.
Aus früherer Erfahrung weiss ich, dass ich ab einer Schlafhöhe von 3000 müM unter Kopfschmerzen und Atemnot leide.
In Susques angekommen traf ich Sabine wieder. Ab hier bis zur Grenze gibt es kein Wasser und keine Lebensmittel zu kaufen. Wir waren nun auf dem Altiplano. Trotzdem verläuft die Straße nicht nur über endlose Ebenen, sondern weiterhin über diverse namenlose Pässe, also immer bergauf und immer wieder bergab zwischen 3600 und 4300 müM! Unser Wasserverbrauch in dieser Höhe war deutlich gestiegen. Wir verbrauchten 4,5 l / Person und Tag. Wir gaben deshalb einer „Gang“ von Motorradfahrern Wassertanks mit, um für uns Depots an ausgemachten Stellen anzulegen. Das hat wunderbar geklappt.
Auf dem Altiplano bewegten sich die Temperaturen in einem Bereich zwischen 25°C tagsüber und -5°C nachts. Das frühe Aufstehen war somit endlich Vergangenheit.
Nachdem wir die Grenze nach Chile (Paso Jama 4400 müM) überfahren hatten, übernachteten wir am Salar Tara (4330 müM). Auch hier hatten wir uns ein Wasserdepot einrichten lassen. Das schwerste und längste Stück stand uns noch bevor. Sabine entschied sich zu trampen. Ein Lastwagenfahrer nahm sie und ihr Fahrrad bis zur anderen Seite des Altiplano´s mit, dort musste sie nur noch von 4600 auf 2400 müM in einem Stück abwärts rollen.
Für mich war es der längste und anstrengenste Tag: Nicht nur der Aufstieg auf die höchste Passhöhe (4860 müM), sondern auch der extrem starke unablässig wehende Gegenwind machte auch alle anschließenden Abfahrten und ebenen Strecken zu gefühlten und pedalierten Aufstiegen...... zwölf Stunden lang!
In San Pedro de Atacama (2430 müM) empfing uns wieder die Zivilisation mit ihren ganzen Annehmlichkeiten: insbesondere schmackhaftes Essen! Von hier aus unternahmen wir diverse Eintagestouren teils mit dem Fahrrad teils mit lokalen Reiseanbietern, um die Umgebung zu erkunden. Vor allem ließen wir es uns gut gehen.
Bereits an der argentinischen Grenzstation Jama sahen wir die chaotischen Fernsehbilder von dem Erdbeben in Argentinien und Chile, welches sich gerade ereignet hatte. In San Pedro erhielten wir weitere Informationen zu dem Erdbeben. Für die Rückkehr nach Buenos Aires stand eine weitere Andenüberquerung bevor, entweder per Bus oder per Flugzeug. Die Informationen, inwiefern unser Rückweg bzw. Rückflug nach Buenos Aires davon betroffen war, waren widersprüchlich.
Wir entschieden uns von Nordchile (San Pedro) über Südwestbolivien (Altiplano) wieder nach Argentinien zu fahren. Wegen der einsetzenden Regenzeit erfolgte die Rückfahrt über Bolivien mit einem Jeep und ab Uyuni bis zur argentinischen Grenze mit der Eisenbahn. In Argentinien fuhren wir wieder mit den Rädern weiter.
Wie Touristen buchten wir eine dreitägige Jeeptour mit Verpflegung und Übernachtung über das bolivianische Hochland. Diese Fahrt war grandios, viele Salzlagunen waren zu sehen auf denen Flamingos leben - in einer Höhe zwischen 3800 - 4800 müM!
Die Pisten waren im Prinzip nur Fahrspuren, teilweise sandig und ohne Karten nur von Ortskundigen zu fahren. Wir bestaunten die Laguna Verde, Laguna Colorada, eine Thermalquelle, Geysire, den Arbol de Piedra und natürlich den großen Salar de Uyuni (3670 müM). Der Salar (Salzsee) war mit einer 1 - 5 cm hohen Wasserschicht bedeckt, da es zuvor geregnet hatte.
Aus dem Salar ragt an einer Stelle eine kleine Insel hervor. Die Isla Pescado ist ein Naturschutzgebiet. Auf ihr wachsen viele Kakteen, die teilweise uralt sind. In Uyuni gibt es eine kuriose Sehenswürdigkeit: Ein paar Kilometer vor dem Ort ist ein Lokomotivenfriedhof, der Cementerio de Trenes zu bewundern. Die Fahrt mit dem Nachtzug bis zur argentinischen Grenze war bequem. Sie ersparte uns eine äußerst unangenehm spektakuläre Fahrt über aufgeweichten Lehmpisten des Altiplano´s in der Regenzeit.
Als wir wieder in Argentinien die Räder bestiegen, glaubten wir nur noch vom Altiplano runter rollen zu müssen. D.h. von knapp 4000 müM langsam über eine Strecke von 300 km hinab auf 2000 müM zu radeln! Geirrt! Heftiger thermischer Gegenwind, der zum Nachmittag immer stärker wurde, machte die Strecke zu einer gefühlten und pedalierten Bergauffahrt. Doch die schöne Landschaft mit Schluchten und farbigen Felsen der Quebrada de Humahuaca entschädigte uns.
In Salta kamen wir bei schwülen 30 Grad an. Von dort nahmen wir einen Linienbus, der uns über Nacht nach Buenos Aires brachte.
Es war eine anstrengende Tour insbesondere was die Hitze und die zahlreichen Pässe betraf, die sich oft namenlos und unspektakulär wie die Perlen an einer Kette reihten. Wir beendeten unsere Tour mit einem glücklichen und zufriedenen Gefühl es geschafft zu haben.
Weitere Fotos zu der Fahrradtour sind in der Fotogalerie anzusehen.
Alexander Jung
Fakten:
- Die Gesamtstrecke der Tour betrug ca. 3500 km. Davon waren 500 km Ripio und 3000 km Asphalt.
- Unsere Tagesleistung betrug iM 65 bis 70 km/Tag. Die max. Tagesdistanz betrug 107 km.
- Die max. gefahrene Passhöhe betrug 4860 müM.
- Insgesamt haben wir 25800 Höhenmeter überwunden.
- Der Anstieg der Cuesta de Lipan betrug iM 5%und in einigen längeren Abschnitten bis 8%. Auf dem Altiplano setzte sich dieses Muster in den Steigungsstrecken fort. Auf den Ripio-Abschnitten waren häufig größere Steigungen zu vermerken. Die Steigungsabschnitte waren iA. kürzer und betrugen gelegentlich 10% und in einigen wenigen Fällen sogar bis 12%
- Insgesamt betrug die mittlere Steigung aller Steigungsabschnitte ca. 4%.