Paddeltour Island

Westfjorde von  Isafjördur nach Brjänslaekur

6.6. Bis 11.7.2015

Fotos: Alexander Jung und Klaus Zobel.


Für unsere geplante Paddeltour in Island haben wir uns die landschaftlich besonders reizvollen Westfjorde ausgesucht. Sowohl innerhalb der Fjorde als auch außerhalb auf dem offenen Meer, bzw. um die vielen Kaps herum wollten wir paddeln.  Aus zeitlichen Gründen konnten wir nicht die gesamten Westfjorde umrunden und aus logistischen Gründen beschränkten wir uns dann auf den Abschnitt zwischen Isafjördur und Brjanslaekur.


Bei unserer Ankunft im Frühsommer, nach einer stürmischen Überfahrt mit der Fähre von Hirtshals in Dänemark nach Seydisfjördur im Osten Islands, mussten wir feststellen, dass Island jahreszeitlich 4 Wochen zurück war. Überall lag noch viel Schnee, es war windig und kalt, das gesamte Hochland war gesperrt und auch ein Großteil der unbefestigten Straßen der Westfjorde. Es kamen uns Zweifel auf, die Paddeltour so wie geplant durchführen zu können. Bevor wir aber Alternativen entwickeln wollten, beschlossen wir uns vor Ort, d.h. an der Einstiegsstelle, die Situation einzuschätzen...und dann zu entscheiden.


Für die eigentliche Paddeltour haben wir ca. 14 Tage veranschlagt und zusätzlich einen Puffer von 4 Tagen. Sollte alles wie gewünscht laufen, wollten wir den Puffer nutzen für eine anschließende kleinere Paddeltour im Isafjardardjúp. Außerdem haben wir eine 4 tägige Wanderung eingeplant von Landmannalaugar nach Porsmörk im südlichem zentralem Hochland.


Bei der Ankunft auf den Westfjorden lag oben in den Bergen noch meterhoch Schnee, die Küsten waren bereits alle ohne Schnee. Die Bedingungen für die Durchführung der Paddeltour schienen positiv zu sein: Gutes Wetter, prognostiziert auch für die nächsten Tage, kein Wind und Wasser glatt wie in der Badewanne: Wir entschieden uns die Tour durchzuführen. Im Paddelclub von Isafjördur haben wir mit Paddlern Kontakt aufgenommen und sie über unser Vorhaben informiert und lokale Informationen über unser bevorstehendes Kajakabenteuer eingeholt. Dann sind wir bei bester Laune in See gestochen...


Das gute Wetter hielt gerade einen Tag an. Dann stellten sich Bedingungen ein, die zur täglichen Normalität werden sollten: viel Wind, hohe Wellen, dunkler dramatischer Wolkenhimmel, kalte Temperaturen die zwischen minimal 4°C nachts und maximal 8°C tagsüber sich einpendelten. Nur an ganz wenigen Tagen, wo die Sonne schien, kletterte das Thermometer bis maximal 14°C. Die Wassertemperatur betrug übrigens nur 6°C.


Schon am 2. Paddeltag hatten wir das erste Kap (Purkusker) ca. 5 Km mit schwerer See zu umrunden. Wir waren darauf vorbereitet und das war ein Vorgeschmack auf das, was auf uns zukommen sollte! Obwohl wir das Kap in der Ausgleichszone zwischen Ebbe und Flut umpaddelt haben, forderte es unsere ganze Konzentration und Fähigkeiten.


Ansonsten hatten wir gut zu beherrschende Bedingungen was die Gezeitenströme und Wellenhöhen betraf. Die Küste ist überwiegend Steilküste. Jedoch gibt es zwischendurch immer wieder Möglichkeiten anzulanden und auszusetzen. Dies war insofern wichtig, da es keinen englischsprachigen Seewetterbericht in dieser verlassenen Region gibt und wir uns auf unsere eigenen Einschätzungen (Barometer, Wetterbeobachtung) verlassen mussten. D.h. die Entfernung zu einer nächst möglichen Aussatzstelle sollte möglichst auch unter schlechten Bedingungen überwindbar sein.


Die gesamte Küste wirkt schroff und abweisend. Sie ist von einer wuchtigen Dimension, die Tafelberge brechen steil zu den Küsten ab und werden rhythmisch unterbrochen von glazialen Quertälern. Diese charakteristischen Formen sind typisch für die Westfjorde. In früheren Zeiten wurden einige dieser Quertäler von Menschen besiedelt. Zeugnisse davon sind die gelegentlich zu sehenden halbverfallenen vereinzelten Höfe oder andere Spuren menschlichen Wirkens wie gelegentlich noch zu erkennende Weiden oder vereinzelte Pflöcke, verrostete landwirtschaftliche Maschinen, etc.


Auffällig ist, dass es keine Bäume gibt. Seit der Wikingerzeit wurde das Holz geschlagen. Die Menschen haben sich so ihre Lebensgrundlage selber zerstört. In neuerer Zeit hat man den verzweifelten Versuch einer Wiederaufforstung gestartet. Nur kleine eingezäunte Areale mit einem Alibiwäldchen konnte dem Schafsverbiss trotzen.

Genauso ist es in neuerer Zeit mit der Fischerei geschehen. Die Küste Islands sind leergefischt. Die Isländer fischen jetzt anderswo.



Wir nutzten solche Plätzchen zum Anlanden und Kampieren. Es waren idyllische Orte von einmaliger landschaftlicher Schönheit und öfters auch Unberührtheit. An einigen Stellen glaubte man sich in einen Sciencefictionfilm zu befinden, so phantastisch war die Küstenlandschaft, wo sich die Häupter der Tafelberge in den Wolken verlohren und in den Höhen berittene fliegende Dinosaurier einem in den Bann zogen...Wow!


Das 2. Kap (nach Neskambur) über 10 Km schwere See mit anlaufenden hohen Wellen war deutlich heftiger als das 1. Kap, welches wir umrundet haben. Zusätzlich war Ausdauer gefordert! Bei der 1. Möglichkeit sind wir danach ziemlich „fertig“ an Land gegangen und mussten dann zwei volle Tage wegen dichten Seenebel abwettern. Wir verbrachten die unfreiwillige Pause zur Erholung, zum Lesen (in Schichten, wegen des einzigen Buches), zum Erkunden der näheren Umgebung, zum Fotografieren.


Nachdem der Nebel sich gelichtet hatte und wir eine genaue Standortbestimmung durchführen konnten, paddelten wir weiter und querten in einem Zuge den Tálknafjördur und Patreksfjördur. Kaum hatten wir das Kap von Blakkur umrundet, hüllte uns erneut der Seenebel ein. Diesmal war der Nebel nicht so dicht und das Ufer wies öfters flache Bereiche auf mit gelber Vulkanasche. An einer Stelle der Steilküste stießen wir unvermittelt auf eine Kolonie von prächtigen Kegelrobben, die sich faul auf den mit Seetang bewachsenen Klippen aalten und von uns kaum Notiz nehmen wollten. Es war ihr kleines Paradies.


Die letzte große Herausforderung war die Umpaddelung des Kaps von Látrabjarg. Ca. 15 Km Strecke Steilküste ohne Anlandungsmöglichkeiten. An dem Tag hatten wir wieder gute Bedingungen: stabiles Wetter, Rückenwind aber eine extrem hohe Dünung und gegenläufige hohe Wellen, die sich zu Monstern überlagerten. Wir hatten die Hände voll zu tun, um da durchzukommen. Wir umrundeten das Kap mit einem respektablen Abstand zur Steilküste, um nicht zu sehr in die Einflusszone der reflektierenden Wellen zu geraten. Dort herrschte absolutes Chaos! Als wir es endlich nach gefühlter unendlicher Zeit geschafft hatten, bei der ersten sich anzubietenden Gelegenheit anzulanden, mussten wir in der Nachbarschaft eines gestrandeten Wales kampieren. Der Wahl muss wohl hier bei dem Sturm vor 2 Wochen an den Strand geworfen worden sein und war im Zustand fortgeschrittener Verwesung und stank entsetzlich! Zum Glück befand sich unser Lagerplatz in ausreichender Entfernung und vor dem Wind.




Der letzte Abschnitt entlang der Nordküste des Breidafjördurs bis zur Aussatzstelle in Brjanslaekur verlief ohne nennenswerte Schwierigkeiten und Zwischenfälle. Zu erwähnen wäre noch, dass das Wasser teilweise flach und sehr transparent war und dass hier größere Abschnitte mit flachen Küstenstreifen vorhanden waren. Auch die Entvölkerung des Küstenstreifens war nicht soweit vorangeschritten und die Zivilisation empfing uns allmählich wieder. Kurz vor dem Aussetzen in Brjanslaekur wurden wir nochmals auf eine Probe gestellt. Ein heftiger kalter Fallwind aus dem Vatnsfjördur machte uns ein Anlanden schier unmöglich!


Nachdem wir die Boote wieder nach Isafjördur umgesetzt hatten, tobte inzwischen ein heftiger Sturm auf dem Isafjardardjúp. Unser Versuch gegen den starken Wind anzukommen war kontraproduktiv...es war kräfteraubend und zermürbend! Nach einem halben Tag kämpfen mit den Naturgewalten gaben wir bescheiden auf.


Es war auch so eine interessante und herausfordernde Paddeltour geworden. Wir waren 13 Tage mit dem Kajak unterwegs. Davon mussten wir 3 Tage wegen ungünstigen Bedingungen abwettern.


Es hat viel Spaß gemacht und war ein Ereignis mit starken emotionalen Eindrücken von dieser mächtigen Natur und den Naturgewalten, die ich nicht vermissen möchte.


Weitere Fotos können in der Fotogalerie angesehen werden.


                                                       Alexander Jung



Fakten:


  • Tidenverlauf für Isafjördur mit ein wöchiger Vorausschau.


  • Die Tourlänge betrug ca. 300 Km. Mittlere Tagesleistung ca.

            30 Km.


  • Ausrüstung und Proviant für ca. 3 Wochen hatten wir vollständig an Bord. Nachkaufen von Lebensmittel ist an einigen Stellen in den Fjorden möglich aber mit erheblichen Umwegen und Zeitverlusten verbunden.


  • Wasser gibt es überall und muss nur für den Tagesbedarf mitgeführt werden.


  • An einigen Stellen gab es wider aller Erwartungen Handyempfang.


  • Empfehlenswert ist ein Barometer mitzunehmen.


  • VHF-Funk ist wenig nützlich, da keine Schifffahrt an der Küste vorhanden.


  • Fähre Smyril Line von Hirtshals (DK) über Faröer Inseln nach Seydisfjördur (IS)